Für unsere eigene Geschichte sind wir alle zuständig.

Walter Dirks



ALS DIE GEMEINDE NORDKIRCHEN NOCH NICHT WAR

Von der Urzeit bis zu Karl dem Großen

Die Gemeinde Nordkirchen liegt im Herzen der münsterländischen Bucht, deren geologische Beschaffenheit durch das sogenannte alte Meer aufs nachhaltigste geprägt wurde. In den ältesten Gesteinen unserer weiteren Heimat finden sich in dem schwarzen Tonschiefer bei Plettenberg im Sauerland Abdrücke von Meerestieren, die vor etwa 420 Millionen Jahren lebten. In einem Zeitabschnitt von rund 150 Millionen Jahren, dem sogenannten Erdaltertum - wir können uns eine solche Zeitspanne gar nicht vorstellen -, bedeckte also dieses alte Meer das Münsterland, das Sauerland, das Siegerland, ja noch den Taunus und den Hunsrück. Seine nördliche Begrenzung war ein großer Kontinent. Nach Westen und Osten gab es Verbindungen zu anderen Meeren im Raum Belgien bzw. Böhmen. Auf dem Grund dieses alten Meeres lagerten sich im Laufe von Jahrmillionen zum Teil bis zu 4000 m dicke Schichten aller möglichen Gesteinsarten ab, die durch gewaltige Flüsse aus dem hohen Norden ins "alte Meer" getragen wurden. Dazu kamen enorme Lavamassen unterirdischer Vulkane, die den Boden des alten Meeres gleichfalls stark veränderten.

Diese ungeheuren Gewichtsverlagerungen und explosionsartigen Vorgänge im Innern der Erde führten in der Karbonzeit (Kohlenzeit) zu Faltungen des Meeresbodens - man denke an die Hautfalten eines eingeschrumpften Apfels -, die einen Teil des Meeresbodens (das spätere Siegerland und südlich davon gelegene Gebiete) über den Meeresspiegel hoben. Das war vor etwa 265 Millionen Jahren.

Später gab es noch einmal eine solche Faltung; dadurch wurde das Meer endgültig nach Norden zurückgedrängt. Das war gegen Ende der Karbonzeit, als sich die gewaltigen Massen der Kohle im heutigen Ruhrgeblet schon gebildet hatten.

Due Gemeinde Nordkichen dürfte nicht am nördlichen Rand des "Kohlenpotts" liegen, wollten wir diese so wichtige geologische Zeitepoche übergehen. Vom alten Meer war nach den Faltungen nur noch ein Restmeer nördlich des rheinischen Schiefergebirges übrig geblieben: ein Meeresarm, der sich von Südengland und Frankreich über Belgien und die Niederlande bis zum Ruhrgebiet hinzog. In dieser Zeit, also vor mehr als 200 Millionen Jahren, entstand das rheinisch-westfälische Steinkohlengebirge mit seinen Sandsteinen und Schiefertonen, vor allem aber mit seinen Kohlenflözen, von denen man im Ruhrgebiet etwa hundert kennt. Die gleichen Schichten dieser "Ruhrhöhen" gehen dann in mehr als 1000m Tiefe unter der münsterschen Bucht her und tauchen bei Ibbenbüren und Osnabrück wieder auf.

Noch ein Wort zur Entstehung der Kohle: Da zur Karbonzeit ein gleichmäßig feuchtwarmes Klima herrschte, konnten die Pflanzen endgültig das Festland besiedeln. Es entstand, ähnlich unseren heutigen Urwäldern in den "Saumtiefen" des Restmeeres, ein Sumpfwald aus Farn, Bärlapp und Schachtelhalmbäumen von für uns unvorstellbarer Größe. Eine Bodensenkung ließ das Meer wieder vordringen und den Wald oder das Moor mit seinen Ablagerungen zudecken. Nach geraumer Zeit begann sich der Boden wieder zu heben, die Küstenlinie rückte etwas weiter vor und der Bewachsungsprozeß vollzog sich von neuem, wenn nach dem Heben des Bodens die Senkung wieder eintrat und das Meer mit seinem Vordringen große Sumpf- und Waldgebiete schuf. Dieser Vorgang wiederholte sich im Laufe der Jahrmillionen mehrmals. Deshalb ist das Gebirge an der Ruhr und unter dem Münsterland gleichmäßig aus Schiefertonen, feinen und grobkörnigen Sandsteinen und Kohlenflözen geschichtet.

Gegen Ende dieser Karbonzeit wurde dieses Steinkohlengebirge in einer Faltung dem rheinischen Schiefergebirge angegliedert. Dabei wurden die Schiditen zerrissen und verschoben, Täler und Mulden bildeten sich, das Meer war endgültig verdrängt. Zugleich vollzog sich aber als Widitigstes eine Veränderung in den Kohlenflözen. Die bei den Faltungen entstandenen hohen Drucke und Temperaturen ließen die aus den Mooren und Waldungen entstandenen Braunkohlenflöze weiter zu Steinkohle "reifen". So war der für die Energiewirtschaft unseres Landes so wichtige Prozeß vollzogen: von der Pflanze über Torf, Braunkohle zur Steinkohle in den verschiedensten Arten, je nachdem sich der Reifungsprozeß in der Karbonzeit vollzogen hatte; man denke an Flammkohle, Magerkohle, Anthrazit oder Fettkohle.

Nach fast 200 Millionen Jahren "Ruhezeit", in der sich für unser Land nichts außergewöhnliches ereignete, begann mit der Kreidezeit eine neue, für unsere weitere Heimat wichtige Formungszeit.

Bekanntester Zeuge dieser Zeit ist der Grünsandstein aus Anröchte, der heute zum Kennzeidien finanzstarker Bauten geworden ist. Mit ihm und anderen Gesteinen sowie den darin enthaltenen Ablagerungen und Resten von Tieren und Pflanzen läßt sich der Ablauf dieser Kreidezeit in unserem Land konstruieren. Das Gebirge des Sauerlandes und das Kohlengebirge schoben sich zunächst noch bis in das südliche und mittlere Münsterland vor. Nördlich und östlich davon war ein großes Sumpfgebiet, das dann vom Meer, das von Norden kam, überflutet wurde. Neben Muscheln, Schnecken lebten darin auch Fische und die berühmten Saurier. Durch die Meeresablagerungen dieser Epoche entstanden der Teutoburger Wald und nördlich davon die Schichten des Emslandes.

Vor etwa 100 Millionen Jahren stieg das Meer gewaltig an und überflutete das Münsterland bis zum Rande des Sauerlandes. Dabei wurden Kalk und Kalksandsteine in verschiedenster Dicke abgelagert. Sie füllten das ganze Münsterland aus. Besonders ragen sie hervor in den Beckurner Bergen, in den Baumbergen, im Haarstrang und im Osning. Bis sich vor rund 70 Millionen Jahren der Meeresboden hob. Das Meer war endgültig aus dem Münsterland verdrängt.

Für die endgültige Gestalt des Münsterlandes bleibt noch ein Ereignis zu erwähnen. Die zunächst waagerecht abgelagerten Schichten wurden durch tektonische Bewegungen, das sind soldie, die in der Erdkruste selbst durch Pressung und Druck zu Verschiebungen und Faltungen führten, mehr oder weniger nach innen gekippt. So bilden die Ablagerungen der Kreidezeit heute im Münsterland eine flache Schüssel. Ihre Ränder wie Haarstrang und Teutoburger Wald sind aufgebogen. In der Mitte des Münsterlandes liegen die Schichten flach. Ohne diese Ablagerungen der Kreidezeit gäbe es im Münsterlande nicht den Grünsandstein des Sauerlandes - Anröchte -, den braunrotgefärbten des Teutoburger Waldes, die verschiedensten Kalksteine im Osning - Lengerich - oder in den Beckumer Bergen mit ihrer bedeutenden Zementindustrie.

Diese Ablagerungen wurden meistens noch einmal überlagert, nämlich in der Eiszeit. Sie begann etwa 800.000 Jahre vor unserer Zeit, vollzog sich in mehreren Abschnitten von Warm- und Kaltzeiten und war gegen 100.000 Jahre vor unserer Zeitrechnung bei uns abgeschlossen.

Zeugen dieser Periode sind die Findlinge, wie etwa die besonders großen von Seppenrade oder Holtwick oder die "Düwelsteene" bei Heiden im Kreise Borken. Diese sind mit anderen Gesteinsmassen durch gewaltige Gletscher von den Gebirgen Skandinaviens nach Süden getragen worden. Sie haben zum Teil den heutigen Lauf der Ruhr erreicht. Der feine Sand und der Lehm wurden zur sogenannten Grundmoräne, die in oft meterhoher Schicht heute die Oberfläche unserer Heimat bildet. Darin finden unsere Ziegeleien ihren Rohstoff.

Klinia- und Witterungsschwankungen während der ganzen Eiszeit veränderten die Situation unseres Landes immer wieder. Mal war es Tundra, mal Steppe, mal war es Grasland, mal wuchs auch der Wald. Dementsprechend war das Tierleben, wie die vielen Funde von Mammut, wollhaarigem Nashorn, Moschusochsen und Rentier beweisen. Ein vollständiges, bei Ahlen gefundenes Skelett steht im Naturkundemuseum zu Münster. Aber auch der Auerochse (der Stammvater unserer Hausrinder), das Wildpferd, der Wolf und der Fuchs bevölkerten das Land.

Mit dem Ende der Eiszeit, etwa vor 100.000 Jahren, stellte sich unser heutiges Klima ein; unser Land wurde auch für den Menschen endgültig bewohnbar, denn Höhenfunde in Balver zeigen, daß es schon vor rund 60.000 bis 80.000 Jahren in unserer Heimat Menschen gegeben haben muß. Das bezeugen von Menschen bearbeitete Steinwerkzeuge. Es wäre das die Zeit des sogenannten Neandertaltmenschens, dessen Oberreste in der Nähe Düsseldorfs gefunden wurden. Nebenbei sei vermerkt, daß im Norden Europas ähnliche Menschenfunde gemacht wurden, die auf ein Alter von 400.000 Jahren schließen lassen. In südlichen Erdgebieten sollen schon vor 1.000.000 Jahren Menschen gelebt haben.

Die ersten Menschen unseres Gebiets lebten meistens im Freien, wie die Funde beweisen, ernährten sich von der Jagd und vom Sammeln von Früchten und Kleingetier. Dabei paßte sich der Mensch immer den klimatischen Gegebenheiten an. Er wich nach Süden aus, wenn das Eis vorrückte und folgte dem zurückweichenden Eise nach Norden. Die dürftigen Funde sagen kaum genügend aus. Besser denken wir an heute noch unter etwa gleichen Bedingungen lebende Naturvölker. Bei den Ureinwohnern Westfalens gab es also auch schon Familie und Sippe, die einfachste Form des Gemeinschaftslebens. Sicherlich hatten sie auch schon geistige Vorstellungen und religiöse Bräuche.

Wem aus Capelle, wem aus dem Bauernstande sollte in diesem Zusammenhang nicht die Frage von großem Interesse sein, wie unsere Vorvorfahren zum Ackerbau kamen. Darunter versteht man den bewußten Anbau von Nutz- und Nährpflanzen vom Menschen für Mensch und Tier. Dieser Schritt vom Jäger und Beerensammler zum Ackerbau ist vielleicht noch revolutionären als der gewaltige Aufschwung unserer Industrie im letzten Jahrhundert.

Für diesen Ackerbau waren für die damalige Zeit enorme Erfindungen notwendig, die bei der dünnen Besiedelung aller Länder und der nur langsamen Fortbewegungsmöglichkeit einzelner Menschen oder Gruppen lange, lange Jahre brauchten, um weithin bekannt zu werden. Aus Funden darf man schließen, daß um 4000 vor Christi Geburt in unserer Gegend Gerätschaften und Lebensformen zur Bebauung des Bodens durch Einwanderer heimisch und gebräuchlich wurden. In den gewaltigen Waldgebieten unseres Landes lagen teils natürlich bedingt, teils aber auch von Menschenhand gerodete Acker- und Weideflächen und darin Dörfer als Siedlungen der Mensdien. Sie wohnten in großen Häusern, bauten Gerste und Weizen an und hielten schon Schaf, Rind, Ziege und Schwein als Haustiere. Natürlich gingen sie noch fleißig zur Jagd auf Hirsche, Rehe und Wildschweine sowie Wisent und Auerochs.

Die ersten Anfänge des Handels entwickelten sich zwischen den Jägern und den Ackerbauern. Ihre Geräte und Werkzeuge wie Waffen waren aus Holz oder Stein. Auch kannten sie schon Tongefäße, wie sie in Gräbern aus dieser Zeit gefunden wurden. Man kann sagen, daß etwa um 3000 vor Christi Geburt es in ganz Westfalen keine wandernden Jäger und Sammler mehr gab. Die Bewohner waren bodenständig geworden und sicherten ihr Dasein in erster Linie durch Ackerbau und Viehzucht.

In ähnlicher Weise, wie die "modernen" Ackerbaugeräte vor mehreren tausend Jahren ins Land gekommen waren, kam ein vollkommen neues Material aus dem vorderen Orient nach Europa, die Bronze, eine Legierung aus Kupfer und Zinn, die einen besonderen, den Menschen bis dahin unbekannten Härtegrad aufwies. Das führte in Europa zur Bronzezeit (etwa von 1700 bis 600 vor Christi Geburt). Da in unserer Heimat weder Kupfer noch Zinn vorkamen, trotzdem aber Bronzefunde aus dieser Zeit gemacht wurden, darf auf Händler geschlossen werden, die auf dem Wege des Tauschhandels Bronzeschmuck, Bronzegerät und Bronzewaffen ins Land brachten. Zum Teil wurde die Bronze auch in Form von Barren ins Land eingeführt und von sogenannten Bronzeschmieden verarbeitet. So bildete sich der erste handwerkliche Stand, da zur Bearbeitung der Bronze besondere Ausrüstung und besondere Fertigkeit nötig war. Gräberfunde aus dieser Zeit lassen auf den höheren Lebensstandard der Menschen bezüglich Lebensweise und Kleidung schließen, aber auch auf entwickelte religiöse Gebräuche und Musik - zu denken ist an die für diese Zeit typischen Luren, Blasinstrumente von 1,5o bis 2,40 in Länge, die aus Bronze gegossen waren.

Verhältnismäßig schnell wurde die Bronze durch Eisen ersetzt, das aus dem Süden Europas in unser Land kam. Dieser Übergang vollzog sich bei uns besonders schnell, weil der Rohstoff nun nicht mehr eingeführt werden mußte, sondern in unseren nassen Wiesen oder in der Nähe von Mooren das sogenannte Raseneisenerz gefunden wurde. Dieses konnte im eigenen Land verhüttet und ausgeschmiedet werden. Durch das Eisen wurde die damalige Wirtschafts- und Handelsstruktur grundlegend gewandelt. So wurde im Siegerland im 2.- und 1.Jahrhundert vor Christi Geburt so viel Eisenerz abgebaut, daß von dort aus durch Handel Eisenäxte, Eisenschwerter, Eisenspeerspitzen und Eisensicheln in weite Gebiete getragen wurden.

Bemerkenswert ist, daß in dieser Eisenzeit die Bevölkerung Westfalens wie ganz Norddeutschlands anstieg. Es liegt nahe, neben der natürlichen Vermehrung auch eine Zuwanderung aus dem hohen Norden anzunehmen; denn zur Eisenzeit erfolgte vor allem im Norden eine Klimaverschlechterung, die die Menschen in südlichere Breiten abwandern ließ. Da das Land noch Raum bot, erfolgte die Eingliederung ohne große Schwierigkeiten. Von dieser Einwanderung aus dem Norden soll später noch einmal gesprochen werden. jedenfalls tritt Westfalen mit der Eisenzeit in die "eigentliche Geschichte" ein. Die Völkerschaften aus den Gebieten des heutigen Westfalen und Niedersachsen traten mit den Römern in Berührung, die ihr Reich im letzten vorchristlichen Jahrhundert bis an den Rhein, etwa ab Mainz abwärts, vorgeschoben hatten. Die Schriftsteller der Römer haben über ihre Feinde, die sie Germanen nannten, vielerlei mitgeteilt, so daß wir durch sie über unser Land und seine Bewohner eingehender und genauer unterrichtet sind. Aus eben diesen römischen Schriften wissen wir, daß damals im Gebiet eine Vielzahl germanischer Stämme wohnten. So im Gebiet der Lahn (später an Ruhr und Lippe) die Usipier, die Tenkterer, Marser, Sugambrer und Brukterer (der Name Bottrop soll sich von diesem Stammesnamen herleiten). Nach Osten, zur Weser hin, schlossen sich die Cherusker an, nach Nordosten die Angrivarier und im Norden, auf einem breiten Küstenstreifen, die Chauken.

Diese germanischen Stämme östlich des Rheins stießen zur Zeit des Kaisers Augustus (63 v. Chr. bis 14 n. Chr.) immer wieder gegen die römischen Provinzen auf der Westseite des Flusses vor. Sie wollten Neuland gewinnen, sie wollten aber auch durch Beute an den viel gepriesenen Reichtümern und Einrichtungen der römischen Herren teilhaben. Während im Süden Deutschlands der "Limes" (Grenzwall) das römische Reich gegen die vordringenden Germanen abschirmen sollte, unternahmen die römischen Legionen im Norden immer wieder erneut weite Kriegszüge ins Land der Germanen - bis zur Elbe -, um sie zu unterwerfen oder mindestens vom Westufer des Rheins fernzuhalten. Der Kaiser selbst leitete über drei Jahre lang den Kampf gegen die Völker Germaniens, weil er erkannte, welch große Gefahr dem Weltreich der Römer von hier aus drohte. Unter dem Oberbefehl seines Stiefsohnes Drusus wurden am Mittel- und Niederrhein fast fünfzig Kastelle angelegt - Anfänge späterer Städtegründungen -, um dann die Grenze des römischen Reiches bis an die Elbe zu verlegen. Von den Kastellen Mainz und Xanten sollten die Eroberungszüge ausgehen. Vor den überlegenen Römern flohen die Bewohner der germanischen Dörfer in die tiefen Wälder, aber die Römer waren keineswegs vor germanischen Überfällen sicher.

Die Römer legten in den eroberten Gebieten zur Sicherung ihrer Truppen Lager an; eines dieser Lager lag beim heutigen Oberaden bei Lünen. Mehr als 30 Jahre dauerten die Auseinandersetzungen. Das Kriegsglück wechselte - Sieg für die Germanen in der Schlacht im Teutoburger Wald im Jahre 9 v. Chr. - Sieg der Römer mit Gefangennahme der Gattin des Cheruskerfürsten Hermann; der Plan des Kaisers Augustus, aus Germanien eine römische Provinz zu machen, mißlang. Mit dem Niedergang des römischen Reiches wurde es auch um Germanien still. Unser Land tritt eigentlich erst mit dem 8. Jahrhundert wieder in die Geschichte ein. Auch da begann man in unserm Land wieder Lager und Wälle zu bauen. Diesmal ging es jedoch um eine andere Auseinandersetzung. Es bekämpften sich zwei germanische Völker, die Franken und die Sachsen. Inzwischen hatten sich im Laufe von 700 Jahren entscheidende Entwicklungen vollzogen. Einmal hatten sich die germanischen Stämme zwischen Rhein und Elbe, zwischen Main und Nordsee zu größeren Verbänden zusammengeschlossen. Dann aber hatten sich die Stämme der Sachsen von Norden kommend immer mehr in den Vordergrund geschoben, hatten ihr Gebiet bis etwa zur Sieg ausgedehnt und die politische Vorherrschaft über die anderen Stämme gewonnen. So ergab es sich, daß das norddeutsche Gebiet östlich des Rheins mehr öder weniger das Land der Sachsen war, während sich linksrheinisch bis zum Meer das Reich der Franken entwickelt hatte.

Sächsische Überfälle und Streifzüge gegen das Land der Franken mußten schon zu Beginn des 8. Jahrhunderts Karl Martell und sein Sohn Pippin abwehren und durch Gegenzüge zu verhindern suchen. Der Zug und Drang der Sachsen nach Westen schien aber nicht aufzuhalten zu sein. Der Sohn Pippins, Karl der Große (742-8I4), entschloß sich, das Land der Sachsen endgültig zu unterwerfen und damit die Gefahr der dauernden Bedrohung seines Reiches zu beseitigen. Wir wissen vom erbitterten Kampf der beiden germanischen Völker, von der Härte und Grausamkeit, mit der er geführt wurde - Blutbad an der Aller -, wissen von Herzog Widukind als dem anfangs so erfolgreichen Sachsenführer, der sich dann doch taufen ließ; wissen, daß Karl der Große die Unterwerfung Sachsens mit der Einführung des Christentums endgültig machen wollte. Nach dreißigjährigem Ringen war es dem Frankenkönig gelungen, Herr des Sachsenlandes zu werden.

Nach den Soldaten oder schon mit ihnen waren Missionare ins Land gekommen. Die großen Zeiten des heiligen Bonifatius oder des heiligen Ludgerus hatten begonnen. ja, Karl der Große und seine Nachfolger taten noch mehr, um das so widerspenstige Land dein Frankenreich endgültig einzuverleiben. Im Gegenzug zum Vordringen der Sachsen brachten sie fränkische Siedler ins Land, die zum Teil sächsische Höfe erhielten und so das Land für die Franken immer mehr sicherten. Mit dieser Zeit tritt die Gemeinde Nordkirchen in die Geschichte ein. Natürlich nicht sofort als Dorf, aber doch schon so, daß wir von dieser Zeit ab seine Geschichte verfolgen können.



Oberstudienrat

Hubert Becker, Wadersloh



Aus der Festzeitschrift zum 50 jährigen Bestehen des MGV Cäcilia Capelle im Jahre 1969, mit Genehmigung des Herausgebers Werner Steinhoff, Capelle.