Unmittelbare Wettergefahren



Die Meteorologie unterscheidet unmittelbare und mittelbare Bergwettergefahren.

Unmittelbare Bergwettergefahren sind abhängig von der jeweiligen Wetterlage, d.h. sie entstehen aus dem direkten Wettergeschehen.



1. Sonneneinstrahlung und Wärme



Jeder, der im Fels klettert, schätzt einen blauen Himmel mit einer strahlenden Sonne. Aber Vorsicht! Extreme Sonneneinstrahlung birgt Gefahren: sie kann zur Wärmebelastung des Körpers werden; Hitzschlag und Sonnenstich machen einen herrlichen Klettertag zum Unglückstag. Warmebelastungen können besonders dann entstehen, wenn sommerliche Hochdrucklagen mit hohen Lufttemperaturen beendet werden. Zunehmende Luftfeuchtigkeit und Windstille steigern den Warmestau. Die Sonneneinstrahlung ist in einer senkrechten Wand viel stärker, als beispielsweise auf einer Bergwiese, noch dazu, wenn die Wand noch Ost bis Süd gerichtet ist. In solchen Wänden ist die Sonneneinstrahlung bereits am Vormittag sehr stark. Die Lufttemperatur ist dann um die Mittagszeit am höchsten. Besonders in Rinnen und Kaminen ist der Kletterer der Sonne unmittelbar ausgesetzt.



Verhalten bei zu erwartender Sonneneinstrahlung



• Richtige Kalkulation der Zeit bei der Routen- und Aufstiegswahl.

• Steinschlaghelm in einer Felswand oder Kopfbedeckung ist absolute Pflicht.

Leichte, luftige Kleidung, ohne dabei den Warmeschutz für die Wetterverschlechterung oder den Wettersturz zu vergessen.

• Sonnen- oder Gletscherbrille rechtzeitig als Schutz gegen die UV-Strahlung aufsetzen.

• Hautteile, die der Sonneneinstrahlung direkt ausgesetzt sind, mit qualitativ hochwertiger Sonnenschutzcreme, die einen sehr hohen Lichtschutzfaktor haben muß, einreiben.



2. Niederschlag und Kälte



Die Gefahr bei Regen, Schnee und Kalte liegt darin, daß der Bergsportler unter Umständen einem starken Wärmeverlust ausgesetzt ist. Dies tritt besonders dann ein, wenn:

• die Lufttemperaturen niedrig sind,

• die Schutzkleidung unzureichend ist,

• starker Wind bläst,

• kein Sonnenschein vorhanden ist.



Daraus ergeben sich folgende Konsequenzen für den menschlichen Körper:



Schnelle Wärmeableitung und Wärmeabstrahlung



Sind die Lufttemperaturen niedrig, wird die Körperwarme des Bergsportlers schneller an die ihn umgebende Außenluft ab eleitet. Ähnliches ist festzustellen, wenn man zum Beispiel einen Eispickel oder einen Eishammer oben anfaßt und versucht ihn längere Zeit in der Hand zu halten; die Hand wird schnell kalt. Gleiches ist zu beobachten, wenn man mit bloßen Händen im nassen Fels klettert.



Fehlende Kompensationswärme



Der Wärmeverlust des Körpers kann bei schlechtem Wetter nicht kompensiert werden. Bei einem Schlechtwettereinbruch bedeckt die Bewölkung den gesamten Himmel; die Sonne kann dadurch mit ihren wärmenden Strahlen diesen Verlust nicht reduzieren. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß die Zuführung alkoholischer Getränke den Warmeverlust auf Dauer nicht kompensiert. Heißer Tee oder eine warme Suppe helfen dagegen.



Hohe Verdunstungskälte



Bei nasser Kleidung und feuchtem Körper entsteht Verdunstungskälte, die die Haut und den Körper abkühlt. Die Abkühlung ist das Ergebnis des physikalischen Überganges von Wasser in flüssiger Form in gasförmige Form. Dabei wird Warme verbraucht, die dem Körper entzogen wird.

Dieser Vorgang wird beschleunigt, wenn starker Wind hinzukommt. Das Phänomen ist jedem bekannt, wenn er in sportlich angestrengter Weise (flottes Steigen, Mountainbiking usw.) bei bedecktem Himmel und Wind unterwegs ist und eine Pause einlegt. Der Schweiß rinnt und die Wäsche ist feucht oder naß, besonders an der Rückenpartie. Eine kurze Pause reicht dann schon aus, um sich zu verkühlen, wenn man sich nicht sofort abtrocknet und die Kleidung wechselt.





Individuelle Faktoren



Zu den individuellen Faktoren sind in erster Linie die körperliche Konstitution und die Kreislaufsituation des einzelnen zu zählen. Bergsportler sollten eigentlich konditionell immer auf der Höhe sein, wenn sie ihrem Sport nachgehen. Dennoch gibt es auch bei trainierten Personen anfällige Gesundheitskomponenten, wie zum Beispiel einen Grippevirus, Streßanfalligkeit oder einfach Übermüdung. Erwachsene sind weniger stark von Warmeverlust betroffen als Kinder.



Warmedämmung der Kleidung



Um diesen Risikofaktoren vorzubeugen, ist neben den genannten Wetterkenntnissen, das Mitnehmen entsprechender Schutzkleidung von entscheidender und lebensrettender Bedeutung. Gerne erinnert man sich an »alte Zeiten«, wo die altbewährte Kniebundhose, der herkömmliche Anorak sowie ein Pullover neben der mit Zitronentee gefüllten Thermosflasche und Wurstbroten eingepackt worden sind.

Die Ausrüstung des Bergsportlers der neunziger Jahre hat sich dagegen wesentlich gewandelt. Neben Fleece-Sweatshirts oder -jacken, wasserdichter und gleichzeitig atmungsaktiver Kleidung, Leichtbergstiefeln, Stretchhosen, Mineraldrink und Schokoriegel, hat es der Bergsportler heute schwer, die richtige Kleidung zu finden. In erster Linie ist es wichtig, eine optimale Ausrüstung für den Ernstfall im Rucksack zu haben. Letztendlich zahlt jedes Gramm Gewicht, das ja auch getragen werden muß.



3. Gewitter



Zu den größten alpinen Wettergefahren zählen eindeutig die Gewitter. Neben den Gefahren wie Hagel, Schnee, Sturm oder Kälte, die auch bei anderen Wetterlagen auftreten können und gegen die man sich relativ gut schützen kann, bedeutet ein möglicher Blitzschlag für den Bergsportier immer Lebensgefahr.



Vorsichtsmaßnahmen bei Gewitter



Der beste Schutz vor Blitzschlag ist, Gewitter zu meiden: keine Touren bei Gewitterwetter, unterwegs Wetterentwicklung ständig beobachten, rechtzeitig umkehren und tiefere Tallagen bzw. Schutzhauser aufsuchen. Ist man trotzdem in ein Gewitter geraten, muß man die Vorsichtsmaßnahmen bei Gewitter und Blitzschlag beachten.



Das Auftreten von Gewittern im Alpenraum ist von verschiedenen Faktoren abhängig:



Jahreszeit und alpine Region

Gewitter treten in den Bergen gehäuft ob Ende April auf und haben ihr Haufigkeitsmaximum zwischen Mai und August, in den Südalpen bis in den späten September hinein.



Wettersituation

Je noch Drucksystem treten sie als Kaltfrontgewitter, Warmfrontgewitter und Warmegewitter auf.



4. Starkwinde



Bislang wurden die meteorologischen Veränderungen, die der Wind bringt, beschrieben. Zusätzlich bedeutet starker Wind selbst auch eine Wettergefahr für den Bergsportler. Er beeinträchtigt die Standfestigkeit, das Gehen und auch das Klettern. Der Druck, der auf den Körper einwirkt, ist enorm und kann zu einem Absturz führen. Erinnert man sich an die zahlreichen Stürme, die in den letzten Jahren zu größten Schaden führten, so kann man beobachten, dass in Stürmen die Windgeschwindigkeit nicht gleichmäßig ist, sondern dass im Sturm kräftige Böen auftreten. Am Berg, und dort besonders im steilen Fels, ist dann ein sicheres Vorwärtskommen eingeschränkt oder nicht mehr möglich.



Früherkennung von Starkwinden

Befindet man sich bereits im Bergbereich, so gelten die beschriebenen Beobachtungskriterien zum Bergwetter. Diese sind um zusätzliche Beobachtungen zu ergänzen, die auf einsetzenden Starkwind hindeuten.

Zusätzliche Beobachtungskriterien: Eine sogenannte Sogwolke entsteht an der windabgewandten Seite eines Berggipfels als isolierter Cumulus, ohne weitere Wolkenentwicklung. Schneefahnen lassen sich schon beim Aufstieg erkennen. Sie werden an Graten, Scharten und Paßhöhen durch den einsetzenden Wind hochgewirbelt. Starkwinde sind an besonders ausgesetzten Lagen (Grate, Gipfel usw) am Berg aufzufinden. Die Windgeschwindigkeit ist schwer einzuschätzen. Die Literatur gibt als Hilfsmittel an, die Zugrichtung der Wolken in Gipfelhöhe zu beobachten sowie die entstehende Wolken-Wirbelbildung an windausgesetzten Bergpartien.



Eine ausweichende Routenwahl, zum Beispiel an windabgewandter Seite, mindert das Risiko, das von Starkwinden ausgeht.





5. Bergnebel



Nebel am Berg ist das Schreckgespenst eines jeden Bergsportlers, da er die Orientierung wesentlich beeinträchtigt oder, im extremsten Fall, verhindert. Nebel im Gletscherbereich oder auf Schneefeldern ist gefährlich, da er diffuses Licht erzeugt und eine sichere Routenwahl unmöglich wird. Schnee und Nebel bilden eine farbgleiche Wand, die undurchdringlich erscheint. Neben der Gefahr des Verlaufens kommt auf einem Gletscher dann die Spaltengefahr hinzu, da die Sichtweite unter 10 Meter sinken kann.



Bergnebel (Cumulus-Nebel) wird in 4 Stufen eingeteilt:

1. Cumulus-Nebel bei Schönwetterlage

Bergnebel kann als einzelner Cumulus-Nebel vorhanden sein, d.h. der Bergsportler befindet sich in einer Schönwetterwolke. Die Situation wird durch baldiges Einsetzen des Sonnenlichts schnell vorüber sein.

2. Cumulus-Nebei bei Schauerlage

Ein Gewitter oder Regenschauer ist durchgezogen, die Wolken des Niederschlagsgebietes liegen auf dem Berggelände auf. Diese Nebelsituation tritt überwiegend in Hochlagen auf und löst sich im weiteren Verlauf auf.3. Cumulus-Nebei bei Frontendurchzug

Treten Wetterfronten auf, so ist der Nebel langanhaltend und reicht bis in Tallagen.

4. Cumulus-Nebel bei Staulogen

Bei Staulagen ist die Nebelbildung sehr dicht und reicht über Tage hinweg.



Verhalten bei Bergnebel

• Einmessung der Höhenlage mit Hilfe des mitgeführten Höhenmessers, Bestimmung des Luftdruckes sowie Lagebestimmung und Wegrichtung durch den Kompaß.

• Immer wieder Beobachtung des Geländeumfeldes. Die Kenntnis der Routenumgebung, wie Gipfelformen, Wasserfälle, Schneefelder, Kamine etc., hilft in Verbindung mit dem Kompaß auch bei kurzem Nebelaufreißen, um den Standpunkt kurzfristig neu bestimmen zu können.

• Direkte Beobachtung der aktuellen Wettersitucition, Bergnebel tritt vorwiegend noch Kulminations-Überschreitung der Sonne auf. Da ein Vormittag von Bergnebel weniger bedroht ist, sollten Hochgebirgstouren, auch wegen der zu erwartenden Lufterwärmung und der damit verbundenen Schneeaufweichung bei Touren oberhalb 4000 Meter Höhe vor Sonnenaufgang, oder um Sonnenaufgang bei Touren zwischen 3000 bis 4000 Meter Höhe begonnen werden.



6. Wettersturz



Anzeichen für einen Wettersturz

1. Starkes Morgenrot und südliche Winde.

2. Kalte Luftmassen drängen über das Alpenvorland in den Alpenraum vor. Bereits am Horizont lassen sich die Wolkenbänke mit eingelagerten Schauerstreifen erkennen.

3. Wird diese Bewölkung von Cirren begleitet, ist die Gefahr von Frontgewittern gegeben, mit einer längeren Schlechtwetterperiode in der Folge.

4. Vor einem Wettersturz tritt starkes Fallen des Luftdruckes ein, das mit Hilfe eines Höhenmessers beobachtet werden kann.



Maxime: Die Mitführung und Handhabung eines Höhenmessers gehört zu den Sorgfaltspflichten eines jeden Alpinisten.



Beobachtungskriterien bei Wettersturz

1, Mit Wetterstürzen ist in jeder Jahreszeit zu rechnen.

2. Da es sich um kalte Luftmassen handelt, treten starke Temperaturstürze auf.

3. Der Wind dreht von Süd auf West bis Nord und weht nicht seiten stürmisch, verbunden mit starken Regen- und/ oder Schneefällen und bis zu 5 Tagen in Folge.

4. Der Bergsportler sollte zusätzlich das Verhalten in der Natur beobachten.



Richtiges Verhalten bei Wettersturz

1 . Wird man auf einer Tour von einem Wettersturz überrascht, müssen umgehend tiefere Lagen in windgeschützter Umgebung aufgesucht werden.

2. Biwakieren sollten nur dann gewählt werden, wenn ein Abstieg nicht möglich ist, da man bei Wetterstürzen mit plötzlichen winterlichen Verhältnissen rechnen muß, die auch einen Rettungseinsatz unmöglich machen können. Muß man trotzdem biwakieren, sind die Grundregeln für das Notbiwak zu beachten.