Tips und Tricks (8)
Gesicherten Steig" - "versicherter Weg` - "nur für Geübte" - "Klettersteig" - "Via ferrata" - "schwieriger Klettersteig" ... Gibt's hier Unterschiede - oder ist das alles dasselbe? Die Verunsicherung für einen Neuling im Gebirge ist perfekt. Noch gar nicht zu reden von den unterschiedlichsten "Schwierigkeitsgrad-Bezeichnungen" in den diversen Beschreibungen; nahezu jeder Führerautor kreiert hier seine private Schwierigkeits-Skala.
Finden wir uns momentan ab damit. Gesicherte, versicherte Steige "nur für Geübte` sollten für jeden schwindelfreien, trittsicheren, nicht ängstlichen Bergwanderer ohne Komplikationen begehbar sein. In der Regel führt hier die Wegspur an einem Abgrund entlang und wird mit einem Seil versichert; kurze trittlose Stellen sind auch schon mal mit Tritteisen oder ein paar Leitersprossen begehbar gemacht. Beispiele dafür sind die Steinerne Rinne im Wilden Kaiser oder der Watzmann-Grat. Der geübte Bergwanderer wird hierfür keine spezielle Ausrüstung brauchen, vielleicht einen Schutzhelm für die Steinerne Rinne.
Wird ein Anstieg mit "Klettersteig" bezeichnet, ist auf jeden Fall eine komplette Sicherungs-Ausrüstung anzuraten. Klettersteige führen in ein Felsgelände, das üblicherweise dem Kletterer vorbehalten ist. Trotz aller Versicherungen bleibt die alpine Umgebung und die Tiefe dieselbe wie in einer "richtigen" Klettertour. In den letzten Jahren schießen Klettersteige förmlich aus dem Boden und übertreffen sich an Schwierigkeit und Kühnheit der Weganlage, so mancher Fremdenverkehrsort protzt damit als Urlauber-Attraktion.
Das Begehen von Klettersteigen wird bereits als Klettern bezeichnet. Selbst leichte Klettersteige erfordern ein Mindestmaß an Klettertechnik - und dazu die entsprechende Ausrüstung und deren richtige Anwendung.
Die Sicherung des Bergsteigers am Klettersteig erfolgt durch wechselseitiges Einklinken eines Seilstranges in das vorhandene fixierte Drahtseil oder in die Trittbügel. Es wird damit erreicht, daß man auch beim Umklinken an den Seilfixierungen stets gesichert ist. In senkrechten Passagen und an gefährlicheren Stellen sollte stets nur ein Kletterer in einem Teilbereich zwischen zwei Fixpunkten steigen.
Was das Anseilen und Sichern betrifft, hat sich in letzter Zeit einiges getan:
Ansellgurte
Am komfortabelsten ist ein Hüftsitzgurt, der mittels Achterband (Seilring) mit einem leichten Brustgurt verbunden ist. Speziell für Frauen und besonders auch Freunde schwieriger und sportlicher Klettersteige ist das Anseilen mit Hüftsitzgurt und Brustgurt ausschließlich zu empfehlen. Für den Gelegenheitsgeher gibt es nach wie vor die herkömmlichen Komplettgurte, die zwar weniger kompliziert anzuziehen, beim Hängen im Seil jedoch problematisch sind und bei Frauen im Brustbereich sehr hinderlich sein können.
Das Anseilen mit einem Brustgurt allein ist unverantwortlich und insbesondere bei Frauen und Kindern als äußerst gefährlich abzulehnen!
Klettersteig-Set
Unter einem Klettersteig-Set versteht man die Anordnung Sicherungs-Seilstück, Klettersteigbremse und Klettersteigkarabiner. Stürzt ein Klettersteiggeher in einem geneigt verlaufenden Teilstück, so rutscht er mehr oder weniger gebremst bis zur nächsten Fixierung, es kann ihm nicht viel passieren. Stürzt er jedoch in einem senkrechten Teilstück, so treten Fangstoßkräfte auf sein Seilstück und den Körper auf, die ein Vielfaches höher liegen als es der schwerste Sturz eines Freikletterers je erreichen kann! Diese Kraftspitze (die kein Bergseil aushält) wird durch die Klettersteigbremse auf ein verträgliches Maß verringert - vorausgesetzt, sie wird technisch richtig angewandt!
Es sind im Laufe der Jahre verschiedene Möglichkeiten und Systeme propagiert worden, Stand der Technik und meiner Meinung nach die optimale Anordnung ist das Ypsilon-Klettersteig-Set: Das aus der Klettersteigbremse herauslaufende Seil gabelt sich mittels Weiche in zwei Seilstränge, die eingeklinkt werden. Das hinter der Bremse befindliche Sellstück (das also beim Sturz in die Bremse hineinläuft) hängt als Einzelstrang lose, zum Bremsdurchlauf bereit, und ist mit dem Ende im Seilring verknotet. Der entscheidende Sicherheitsvorteil dieses Ypsilon-Systems ist, daß beide Klettersteigkarabiner gleichzeitig eingeklinkt werden können, ohne daß die dynamische Wirkung der Klettersteigbremse außer Kraft gesetzt wird.
Klettersteigkarabiner
Spezielle Klettersteigkarabiner haben eine besonders weite Schnapperöffnung, um sie in ein dickes Drahtseil oder einen Trittbügel einklinken zu können. Üblich und vorgeschrieben waren bisher Klettersteigkarabiner mit automatischem Verschluß, der eine unbeabsichtigte Öffnung des Karabiners verhindern soll. Das ständige und fortwährende Umhängen der Karabiner bedeutet jedoch auch ständiges Öffnen, Drehen und Schieben der Verschlußsicherungen, was ständige Arbeit und Anstrengung bedeutet. Man konzentriert sich als Folge davon häufig nicht mehr aufs Klettern, sondern nur noch auf Drehen, Schieben und Öffnen. Gerade in extremen Passagen, in schwierigen Klettersteigen, stellt sich das pausenlose Karabinerklinken als eigentliche Hauptschwierigkeit heraus, insbesondere mit Handschuhen und klammen Fingern. Deshalb wird gerade an problematischen Stellen, an denen man kraftsparend rasch vorankommen sollte, nicht selten auf korrektes Umhängen verzichtet und mit Risiko geklettert, was den Sinn der ganzen Sicherheitsausrüstung ins Gegenteil verkehrt.
Ist man nun mit dem neuen Ypsilon-Klettersteig-Set angeseilt (s. Zeichnung), so kann man meines Erachtens auf die Verschlußsicherung der Klettersteigkarabiner verzichten und normale Klettersteigkarabiner verwenden, da beide Karabiner eingeklinkt werden können, ohne die Funktion der Klettersteigbremse außer Kraft zu setzen. Das größte Sicherheitsrisiko bei Klettersteigkarabinern ist ja nicht die unbeabsichtigte Öffnung des Schnappers, sondern ein Karabinerbruch durch die schlagartige Biegung an der Drahtseilfixierung beim vertikalen Sturz. Sind jedoch beide Seilstränge eingehängt, so ist ein Bruch beider Karabiner nahezu ausgeschlossen. Beide Seilstränge einklinken darf man jedoch wiederum nur bei Verwendung des beschriebenen YpsilonKlettersteig-Sets.
Zusätzliches Sicherungsseil
Ist man mit einer Gruppe unterwegs oder soll ein schwächerer Partner gesichert werden, geschieht dies mit einem zusätzlichen Bergseil. Normalerweise reicht hier ein Halbseil mit ca. 30 Meter Länge, da nur eine Zug- und keine Sturzbelastung auftritt. Anwendungsbeispiel ist das Sichern eines Schwächeren auf einer ausgesetzten Leiter; man erspart diesem somit das langwierige und kraftzehrende Karabinerklinken und gewinnt damit Zeit und mehr Sicherheit. Bei einem Unfall oder einer Hilfsaktion ist ein Seil ebenfalls unverzichtbar. Allerdings sollten die zur Anwendung kommenden Techniken wie z. B. das Sichern mit HMS und die Bergetechnik "Lose Rolle" beherrscht werden!
Tips
Keinen Klettersteig ohne Bergsteiger-Schutzhelm! Steinschlag kommt immer noch von oben.
Beim Kauf fertiger KlettersteigSets müssen alle Knoten selbst überprüft und festgezogen wer den. Einige Hersteller liefern locker geschlungene Knoten aus.
Leichte Fingerhandschuhe mit Lederbesatz schützen vor Verletzungen durch abstehende Draht enden am Fixseil.
Bei manchen Klettersteigen sieht man - jahreszeitlich bedingt - ohne Steigeisen (evtl. sogar Pickel) ganz schön alt aus. Informationen und eine exakte Touren planung schützen hier vor unangenehmen Uberraschungen.
Klettersteige begeht man am besten mit einem alpintauglichen Leichtbergschuh, der eine torsionsfeste Sohle besitzt. Man erreicht damit eine ideale Trittsicherheit auf Stahlbügeln und Leitersprossen sowie auf Geröllfeldern und steilem Altschnee beim Zu- und Abstieg. Richtige Kletterschuhe bringen nur Vorteile bei einigen schwierigen Extrem-Klettersteigen.
Nicht nur Anfänger, sondern auch notorische Klettersteig-Freaks sollten sich mal in punkto Sicherheitstheorie, Hilfs- und Bergemaßnahmen auf Vordermann bringen lassen: beim Obungsleiter seiner DAV-Sektion (sofern dieser durch rechtzeitige Forthildung auf dem Stand der Technik ist).
Das Begehen von Klettersteigen führt oft zu einer gewissen Sorglosigkeit der Begeher ("es ist ja alles abgesichert, was soll da schon sein"). Die Sicherungsanlagen, Stahlseile, Eisenbügel und Leitern, gaukeln jedoch eine trügerische Sicherheit vor. Es gibt keine Garantie, daß ständig alles intakt ist. Ein Blitzschlag kann eine Leiter aus der Verankerung reißen, der Schneedruck reißt die dicksten Stahltrossen ab. Auch auf einem restlos abgesicherten Klettersteig befinden wir uns im Gebirge mit den entsprechenden alpinen Gefahren und Risiken. Wie bei einer "richtigen" Klettertour muß auch hier eine intensive Tourenplanung mit allem Drum und Dran vorausgehen, damit dieses erhebende Gefühl des Steigens, der Ausgesetztheit, dieses speziellen Unterwegs-Seins auch richtig genossen werden kann.
Pepi Stückl, Bergführer