Tips und Tricks (4a)
Trinkflaschen für Bergsteiger
Aus Kanada kommt die Geschichte vom Holzfäller, der bei minus 40 Grad einen tiefen Zug aus der Whiskyflasche nahm - und tot umfiel. Wenn die Geschichte nicht wahr ist, ist sie zumindest gut erfunden, und lehrreich für Bergsteiger obendrein. Wegen des Alkohols war der Whisky nicht gefroren, für Speiseröhre und Magen war die höllisch kalte Flüssigkeit pures Gift. Die Moral für Alpinisten: Wenn es draußen kalt ist, braucht der Mensch etwas Warmes - und damit es warm bleibt, braucht er eine Thermosflasche.
Die Einschränkung "wenn es draußen kalt ist", läßt sich freilich je nach Charakter unterschiedlich auslegen. Der sonnenverwöhnte Sportkletterer lechzt vielleicht schon bei bedecktem Himmel und 10 Grad plus nach einem warmen Tee, während die abgehärtete Skitouristin noch bei Schneesturm ihr kühles Gipfelweißbier genießen kann. Außer der Frage Thermos oder Normalflasche' stellt sich beim Trinkflaschenkauf auch noch die Frage nach der Größe der Buddel, und dazu sollten wir einen kurzen Abstecher ins Metier der Sportbiologen unternehmen.
Gefährlicher Wasserverlust
Der Mensch besteht im wesentlichen aus Wasser. Verliert er zuviel davon, lebt er gefährlich. Der Wasserverlust beeinträchtigt zuerst das Leistungsvermögen, später folgen Erschöpfung, Kopfschmerzen, Übelkeit und schließlich lebensgefährliche Austrocknungszustände. Das Wagser geht uns auf zwei Wegen durch die Lappen: beim Atmen (Höhenbergsteiger verlieren so fünf Liter und mehr am Tag) und über den Schweiß, die Kühlflüssigkeit unserer Muskelmaschine Körper. Eine Tagestour in der Höhenregion kann vier Liter Schweiß kosten, bei Gewaltanstrengungen wie extremem Klettern in großer Hitze kann die Schweißproduktion sogar auf zwei Liter pro Stunde ansteigen. Daraus folgern wir zweierlei: wer richtig "rödelt", müßte ein ganzes Faß mitschleppen, um seinen Flüssigkeitshaushalt auszugleichen - und das geht nicht. Zur Schadensverminderung sollte man aber auf jeder Bergtour regelmäßig trinken, und zwar besonders viel bei großer Anstrengung, großer Hitze und großer Kälte.
Womit wir wieder bei unserer Ausgangsfrage wären: "welche Trinkflasche für welche Tour?" Im Katalog eines Münchner Bergsporthändlers nehmen die Flaschen eine ganze Doppelseite in Anspruch, von der einfachen Plastikbuddel über die Edelstahl-Doppelwand-Stahlflasche bis zum Edelflachmann mit Lederbezug im Managerlook. Ähnlich breit gefächert wird auch das Sortiment eines Allroundbergsteigers sein, denn eine optimale Flasche für alle Gelegenheiten gibt es nicht. Wieviel Getränk man in welchem Gefäß transportiert, hängt von vielem ab, zum Beispiel von Trinkgewohnheiten, Trainingszustand, Gewicht, Handhabung und der Temperatur.
Den ganzen Tag heiß
Bei großer Kälte spricht veles für eine Thermosflasche. Bei Skitouren im Hochwinter oder auf Viertausender ist das beste gerade gut genug, und am besten isolieren Edelstahl-DoppelwandThermosflaschen. Am Abend vor der Tour kochendheiß befüllt, halten sie das Getränk den ganzen Tag se heiß, daß man es nach dem Einschenken erst noch abkühlen Iassen muß, um sich die Lippen nicht zu verbrennen. Wer die Leistung dieser High-Tech-Geräte optimal ausnutzen möchte, sollte sie vor dem abfüllen des Tourengetränks mit heißem Wasser füllen und einige Minuten stehen lassen, damit sich das Material erwärmt. (Das geht natürlich auf Hütten meist nicht).Einige dieser Modelle werden mit Spezialverschluß angeboten, den man zum Ausschenken nur zwei Umdrehungen weit auf- schrauben muß - ähnlich wie manche Haushalts-Thermoskannen. Das heißt, man hat eine Hand für die Flasche und eine eine für den Becher und muß sich nicht überleien, wo man den Schraubverschluß zwischenlagert. Bei Wind und Kälte ist das sehr angenehm. Die Stahl-Isolierflaschen haben die weitaus beste Isolierleistung und sind praktisch unzerbrechlich, ganz im Gegensatz zu den haushaltsüblichen Thermosflaschen mit Glaseinsatz, die deswegen für Bergtouren eigentlich nicht in Frage kommen.
Standardflaschen
Sobald man eine Tour eher als schweißtreibende denn als frostige Angelegenheit empfindet, wird man auf Isolierflaschen verzichten können. Für Frühlingsskitouren und die meisten Sommer-Unternehmungen genügen Standardflaschen aus Kunststoff oder Metall. Den - meist leichteren Kunststoffflaschen sagen manche Zeitgenossen nach, sie verliehen dem Getränk einen Plastik-Gout. Doch auch bei geschmacksneutral beschichteten Metallflaschen kann die Beschichtung zerstört werden. Man beachte hierzu die Empfehlungen der Hersteller und überlege sich, was man in die Flasche füllen will. Gefährlich sind vor allem saure Getränke' wie Zitronentee, die mit der Flaschen wand reagieren können.
Ein weiterer Nachteil der Kunststoffflaschen ist, daß sie zwar gegen gröberes Kratzen auf Fels unempfindlich sind, nicht aber gegen Pickelschläge oder einen Absturz aus größerer Höhe. Metallflasche dagegen hat man schon in de abenteuerlichsten Formen gesehen, die von vielen Sturzmetern Zeugnis ablegen. Nicht von ungefähr werden die Metallflasche von Sigg als Tank für den Benzin kocher von MSR verwendet freilich auch schon zu unangeneh men Überraschungen bei dursti gen Kameraden geführt hat (siehe Comic unten).
Ob Metall oder Kunststoff, beide Flaschensorten gibt es mit unterschiedlichen Verschlüssen. Am sichersten dicht hält gewiß der Schraubverschluß. Die meiste Schraubverschlüsse haben ein Loch in der Schraube, so daß man die Flasche mit einem Karabiner oder einer Reepschnur an Rucksack oder Klettergurt transportiren kann - besonders günstig bei langen alpinen Sportklettereien mit Abseilpiste, wenn man ohne Rucksack unterwegs ist. Zu fest zugeschraubte Flaschen kann man öffnen, indem man einen Hebel etwa einen ausreichend stabilen Finger - in das Loch steckt und damit dreht.
Noch zu klären bleibt die Größe der Flasche. Heini Holzer, der berühmte Steilwandskifahrer der siebziger Jahre, behauptete von sich, völlig ohne Getränk zwei Tage lang voll leistungsfähig zu bleiben. Durchtrainierte Bergsteiger können eine Tagestour bei normalen Temperaturen leicht ohne zu trinken überstehen - die Frage ist, ob es Spaß macht. Andererseits kommt man bei vielen Touren an Bächen vorbei, aus denen man trinken kann - dann kam man auf die Flasche verzichten und fühlt sich im Einklang mit der Natur. Solange, bis sich die Wirkung der wenig oberhalb grasenden Kühe bemerkbar macht.
Wenn man jedoch eine Flasche mitnimmt, entscheidet man nach Gewohnheit und Bequemlichkeit: Wer gern viel trinkt, muß schleppen; wer unbeschwert gehen will, muß das Trinken auf abends verschieben. Aber - was gibt es schöneres, als einen echten Tourendurst mit zischendem Getränk zu löschen?