Tips und Tricks (3a)



Thema : Die Bergstöcke II



Was der Deutsche tut, das übertreibt er gründlich", sagte einmal ein ausländischer Bergsteiger zu mir, womit er die Gürtel- und Hosenträgermentalität meinte. Doch das trifft sicher auch auf die nicht mehr zu übersehende Anzahl der Stockträger zu. Es mutet mitunter schon sehr merkwürdig an, wie einstmals gutgemeinte Ratschläge "befolgt" werden: Da werden aus Gewichtsgründen die Stockteller abmontiert, auf brettlebenen Straßenwanderungen die Stöcke als Gleichgewichtshilfe vor dem Umfallen mißbraucht (nächste Stufe ist wohl die Stockwanderung von der U-Bahn ins Büro!), bei einer Hangquerung werden die bergseitigen Stöcke kürzer geschraubt (exakt nach der unsinnigen Anweisung in unsinnigen Produktanhängern), bergab sind die Stöcke auf den Rucksack geschnallt oder, noch schlimmer, der Absteigende schiebt sich noch kräftig mit den Stöcken talwärts (damit die Gelenke spüren, daß es bergab geht). Nach meinen Erkenntnissen hat die Mehrzahl der Stockträger wenig Ahnung von der richtigen Handhabung und Anwendung der Bergstöcke.



Es stimmt auch nachdenklich, daß mancherorts Bergsteiger/ Bergwanderer zu beobachten sind, die kaum mehr in der Lage sind, ohne Stützhilfe durch Stöcke auf ausgesetzten Wegen und gratartigen Stellen das Gleichgewicht zu halten oder in groben Geröllfeldern und auf Blockwerk zu balancieren.



Die Übertreibung ist genauso schlecht wie die Unterlassung. Dieser Satz ist besonders auch auf den Gebrauch von Bergstöcken anzuwenden. Was bringt nun die Anwendung von Bergstöcken dem Bergwanderer, dem Bergsteiger wirklich?



Die Benützung von Skistöcken beim Bergsteigen im Sommer hat sich etabliert. Noch vor 10 Jahren waren es nur wenige Durchblicker, die beim Bergabgehen Skistöcke zu Hilfe nahmen. Die Langläufer trainierten beim Bergaufgehen mit Stöcken ihre Armmuskulatur.



Beim Bergabgehen kommen der Faktoren Masse, Schwerkraft, Geschwindigkeit wegen gewaltige Belastungen zustande. Bereits 1981 hat Dr. Neureuther aus Garmisch, langjähriger Landesarzt der Bayerischen Bergwacht, diese enormen Belastungen gemessen und publiziert. Stöcke können - richtiger Gebrauch vorausgesetzt - helfen, die Belastungen, vorwiegend die Belastungsspitzen, auf die Gelenke der unteren Extremitäten und auf die Wirbelsäule zu minimieren. Das heißt, weniger Belastung bewahrt den jungen Bergsteiger vor auftretenden Schäden, der bereits geschädigte Bergwanderer wird durch die Entlastung der Gelenke weniger Schmerzen haben bzw. länger seinen Sport ausüben können. Die Stöcke dienen also der Verhütung und Linderung von Verschleißerscheinungen, die durch das Abwärtsgehen verursacht werden.



Für den Aufstieg sind Stöcke normalerweise nicht notwendig. Dem Kletterer nützen sie, da ein Aufwärmeffekt der Arm-SchulterBrust-Muskulatur erkennbar ist. In großer Höhe wird die Atemhilfsmuskulatur unterstützt, was einen positiven Effekt bringt.



Beim Queren sehr steiler Hänge und Schneefelder kann man durch die Seitstütztechnik die gefährliche Hanglange des Körpers verhindern, den Hauptabsturzgrund aller Wanderunfälle. Leider wird diese Technik so gut wie nie angewendet.



Da das Körpergewicht mit auf die Stöcke verteilt wird, sinkt man auf Schneefeldern nicht so tief ein (siehe Gemsen). Unverständlich ist deshalb, daß ganz Gescheite die Teller abmontieren. Ebenso kann ein Stock mit Teller nicht so tief ins Geröll, ins Blockwerk oder in Felsspalten eindringen, was sonst immer wieder zum Verhaken und Hängenbleiben und damit zu Unfällen führt. Übrigens muß man sich nicht mehr die kleineren Rennteller besorgen, die Hersteller haben reagiert und bieten die kleinen Sommerteller jetzt serienmäßig an. Achtung: Was für Schneefelder gilt, ist am Gletscher nur bedingt anwendbar: Ein Skistock ersetzt keinen Eispickel! Mit dem Skistock kann ich weder einen Spaltensturz abbremsen noch einen T-Anker graben!





Gefahren bei der Verwendung von Bergstöcken ergeben sich durch das Nachgeben bzw. Durchrutschen des Verstellmechanismus von verstellbaren Stöcken. Bei Belastung im Steilgelände kann der Stock zusammenrutschen, der Absteigende stürzt kopfvoran. Ursachen des Durchrutschens können sein: Der Konus ist zu wenig angezogen (manche Frauen schaffen das halt nicht) oder der Konus gibt von selbst nach (mangelhafte Technik!). Inwieweit dabei unzureichende Pflege des Benutzers oder Fehler des Herstellers die Schuld tragen, ist hier nicht festzustellen.



Vielleicht ist auch die Angst vor dem Zusammenrutschen der Stöcke die Ursache dafür, daß kaum ein Stockanwender die richtige Abstiegstechnik (Stöcke vor!) anwendet und somit eigentlich auf die Stöcke verzichten könnte! Hier wäre mehr Aufklärung durch den Fachhandel wünschenswert.



Was gibts Neues zu berichten?

Neu ist sicher der anatomisch vorgebogene Griff, der die starke Abknickung des Handgelenks vermeiden hilft. Nicht neu, aber fast unbekannt ist der Stock mit Krücken-Griff, gerade für Vorgeschädigte vielleicht die bessere Lösung. Auch nicht neu, aber besonders erwähnenswert ist der gefederte Stock für jene, die viel (und oft mit Schwung!) unterwegs sind.



Tips:

Abwärts nur kurze kleine Schritte (haxeln), keine Sprünge, Stöcke schräg vorwärts und das Körpergewicht drauf.



Die Stöcke nur dann hernehmen, wenn es sinnvoll ist. Gerade Unsportlichere, Gelegenheitsbergsteiger, Anfänger sollen üben und lernen, das Gleichgewicht in brenzligen Situationen halten zu können. Durch ständige Stockanwendung verlernt man das Balancieren und verliert an Trittsicherheit. Ein normaler, gesunder Mensch sollte sich auf normalen Wegen doch noch auf seinen zwei Beinen bewegen können!



Wenn Bergstöcke, dann zwei: in jede Hand einen! - oder ganz darauf verzichten. Man geht auch nicht mit nur einem Steigeisen. Mit nur einem Stock ist die Anwendung einer soliden Technik nicht möglich. Warum gibt es Sportgeschäfte, die ein halbes Paar verkaufen ... wie erklären diese die richtige Anwendungstechnik?



jeder sollte seinen Stock individuell kennzeichnen: farblich besprühen, mit Gewebeband bekleben ... Das spart Ärger mit Verwechslungen.



Gasthäuser, Hütten, Cafes und ähnliche Beherbergungsstätten betritt man ohne Stöcke! Es ist eine Zumutung für Wirt und Gäste, im Lokal Stühle und Bänke mit dem ganzen Bergsteigerkrimskrams wie Rucksack, Steigeisen, Pickel und jetzt auch Skistöcken zu belegen.



Skistöcke beim Bergsteigen sind sehr empfehlenswert. Doch mit ihrem Kauf allein ist es halt nicht getan, sie sollten auch sinnvoll eingesetztwerden.