Die Königin und das Cadore
Inmitten eines Talkessels, umgeben von grünen Wiesen, Lärchenwäldern und herrlichen Bergspitzen, liegt Cortina.
Der Venetische Teil der Dolomiten, bis ins Herz des Cadore, gibt dem Besucher seine Geschichte, seine landschaftliche Schönheit und seine Geheimnisse Preis, bietet Ereignisse des gesellschaftlichen Lebens aber auch der beschaulichen Einsamkeit. Jeweiter man dem Boite-Tal folgt, desto mehr verliert sich die Bedeutung der gesellschaftlichen Ereignisse, bis man nach Pieve Sappada und das Gebiet des Comelico erreicht. Einst lieferten die Wälder dieser Gegend Holz der Serenissima und ihrer Flotte. Mit der Verlängerung der von Venedig kommenden Autobahn wurde die Verkehrssituation wesentlich verbessert und man erreicht das Cadore jetzt leichter und schneller. Obwohl Cortina und das Cadore lange Zeit unter österreichischer Herrschaft standen, sind sie doch fast ausschließlich vom venetischen Einfluß geprägt.
Es ist erstaunlich wie in einer Entfernung von nur 30 Kilometern (zwischen Cortina und Toblach bzw. zwischen S. Stefano und Sexten.) Tradition, Brauchtum, Sprache und Speisen vollständig verschieden sind. Auch der im Ampezzo-Tal gesprochene ladinische Dialekt unterscheidet sich von dem anderer Gebiete mit ladinischer Sprachzugehörigkeit. Vielleicht liegt es daran, daß die Bevölkerung des Ampezzo-Tales mehr Kontakte mit Menschen anderer Länder hatte als mit denen der benachbarten Täler. Das hat auch im Charakter der Ampezzaner seinen Niederschlag gefunden der wesentlich verschieden von dem anderer Dolornitenbewohner ist, auch von dem der Bevölkerung des angrenzenden Cadore. Cortina hat ein eigenes Gesetzgebungssystem was das Gemeindegebiet betrifft, und zwar die "Regole d'Ampezzo", die auf einer alten keltischen Verwaltungsform basieren.
Das heutige Aussehen des Ampezzaner Talkessels ist wesentlich verschieden von demjenigen früherer Zeiten. Der Wald reichte nicht so weit ins Tal und daher konnte das vermehrte Weideland landwirtschaftlich gut genützt werden. Vom engen Cadore-Tal kommend hat die Weite des Ampezzaner Beckens sicherlich beindrucht. Der im Jahr 1484 von einer Pilgerfahrt ins Heilige Land zurückkehrende Dominikanermönch beschrieb seinen Eindruck von Cortina mit folgenden denkwürdigen Worten: Sole autem occasum petente venimus in pratinum, et est locus laetissimus inter montana, in quo sunt prata multa et bestiarum pascua et in medio grandis villa..." was soviel heißt wie: "Bei Sonnenuntergang erreichten wir eine liebliche Landschaft in den Bergen mit vielen Wiesen und Tieren auf den Weiden und in der Mitte lag ein großes Dorf..."
Auch wenn Cortina heute unter dem Straßenverkehr leidet, so hat es doch nichts von seinem Zauber verloren.
In der Zeit in der Cortina unter österreichischer Herrschaft stand, ab 1518, begann der habsburgische Adel Cortina als Ferienort zu frequentieren und gab somit dem Ort eine aristokratische Note, die heute noch spürbar ist. Im i19. Jhdt.,wählten auch englische Touristen Cortina für sportliche Betätigung und Gesellschaftsleben. Aus alten Dokumenten geht hervor, daß zwei britische, befreundete Damen, Lady Potts und Lady Bury, von Cortina so begeistert waren, daß sie sich eine romantische Villa in neugotischem Stil für mondäne Anlässe und Jagdfeste erbauen ließen Von einem solchen "Erbe" geprägt, bereitete sich Cortina in der Nachkriegszeit auf den sich anbahnenden Tourismus vor.
Aber Cortina ist nicht nur ein gesellschaftlicher Treffpunkt in eleganten Restaurants und Nachtleben in extravaganten Lokalen. Cortina bedeutet auch Sport, Begeisterung, Kontakt mit der Natur und Menschen aus anderen Orten und Ländern und vor allem Erholung vom Alltag. Zahlreiche Klettersteige, herrliche Wanderwege zu bestausgestatteten Schutzhütten, eine Unzahl von Möglichkeiten für Liebhaber der Bergwelt. Cinque torri, das Paradies der Kletterer, bietet Kletterrouten aller Schwierigkeitsgrade. In Richtung Falzarego-Paß fahrend erreicht man einige Kilometer vor der Paßhöhe die Abzweigung des Wanderweges zur Cinque Torri-Hütte. Die nahe gelegene Scoiattoli-Hütte ist auch per Sessellift zu erreichen. Von dort führt ein Wanderweg auf den Monte Nuvolao von dem man eine herrliche Sicht über das ganze Cinque Torri-Gebiet genießen kann. Dank der gesicherten Klettersteige sind Gipfel zu erreichen die sonst nur Extrembergsteigern vorbehalten wären. Einer der berühmtesten führt auf die Punta Anna, der von Pomedes (erreichbar auch per Sessellift) sich entlang der Felsen der Tofana di Mezzo windet, mit einigen sehr exportierten Passagen.