5. Die Erste Heilige Kommunion



Die Feier der Ersten Heiligen Kommunion war früher ein Fest ganz besonderer Art. Nach kirchlicher Festlegung war sie bis zu Beginn des Ersten Weltkrieges im Alter von zwölf bzw. dreizehn Jahren (also ein bis zwei Jahre vor der Schulentlassung). Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Erste Heilige Kommunion im Alter von zehn Jahren empfangen. Ein Teil der Schüler und Schülerinnen besuchte nach dem vierten Schuljahr eine weiterführende Schule (Realschule oder Gymnasium), so dass sich damit die Zusammensetzung der Klasse sehr veränderte; noch in diesem Klassenverband sollte nach einem gemeinsamen vierjährigen Weg als Abschluss die Erste Heilige Kommunion empfangen werden. Die Vorbereitung geschah durch den Pfarrer, entweder in der Kirche oder in der Schule.

Die erste Beichte war am Samstag vor dem Kommunion-Sonntag; dann wurde auch der Ablauf bei der Ersten Heiligen Kommunion in der Kirche eingeübt. Eine wichtige Aufgabe hatten dabei die "Führ-Engel" (nicht in allen, aber den meisten Gemeinden); es waren Mädchen im Alter von 13 oder 14 Jahren, die meist mehrere Jahre lang diese Aufgabe wahrnahmen. Der "Führ-Engel" saß als erster in jeder Bank. Seine Aufgabe war es, die Kommunionkinder zur Kommunionbank hinzuführen und wieder in die Bank zurückzubegleiten. Angetan war der "Führ-Engel" mit seinem Kommunionkleid.

Zu Hause galt am Beicht-Nachmittag und -abend der Grundsatz: "Keinen Lärm machen". Das angehende Kommunionkind hörte dann die Weisung "Sett di henn un biätt die wat!" ("Setz dich hin und bete etwas!") Oft kamen schon am Vortag die Paten angereist, wenn sie weiter weg wohnten.

Die Kleidung der Kommunionkinder bei Jungen:

blauer Anzug mit kurzer Hose (in Billerbeck schwarzer Anzug mit langer Hose);

bei Mädchen:

weißes Kleid (in Billerbeck: blaues Kleid mit weißen Kragen).

Vor denn Ersten Weltkrieg versammelten sich die Kommunionkinder schon um 6 30 Uhr in der Kirche, die Heilige Messe begann um 7 Uhr, Die Eltern und Paten saßen nicht bei den Kindern, sondern hatten hinter den Kommunionkindern Platz genommen, Von den zwanziger Jahren an war die Kommunion-Messe um 8 Uhr. Der Erstempfang der Heiligen Kommunion war immer am Weißen Sonntag oder Christi Himmelfahrt. Das kirchliche Nüchternheitsgebot wurde streng beachtet. Nach der Messe war Termin beim Fotografen, da nur ganz wenige Familien über einen Fotoapparat verfügten, war für die meisten das Foto vorn 'Ersten Kommuniontag' das erste Foto im Leben überhaupt. Wieder andere gingen auch zu bekannten Familien in der Nahe der Kirche, wo man auch sonst des Sonntags vor oder nach der Messe kurz hereinschaute (wo man "angäng") und tranken dort eine Tasse Milch mit Zwieback (»Miälk mei Beschüt").

Wenn die Erstkommunikanten wieder zu Hause waren (oder aber nach dem Mittagessen), erhielten sie ihre Geschenke von den Paten.

Am Nachmittag erhielten die Kommunionkinder vom Pfarrer das Kommunionbild; unter einem Motiv aus der Heiligen Schrift war mit Unterschrift des Pfarrers bestätigt, dass das Kind die Erste Heilige Kommunion empfangen hatte. Dieses Kommunionbild stand in einem sehr hohen Ansehen, es wurde gerahmt und aufgehängt; es hatte seinen Ehrenplatz ein Leben lang. Schließlich verteilte der Lehrer am Nachmittag noch ein Andachtsbild.

Das Büchlein "Brot der Engel" war nicht für den Gottesdienst gedacht, sondern zum Lesen und Beten im Hause; vom Beginn der dreißiger Jahre an war es nicht mehr üblich, dieses Büchlein zu schenken. Alles andere an Geschenken blieb jedoch, hier und dort ergänzt durch Geldgeschenke.

Die Uhr (Taschenuhr) durfte von den Jungen zum erstenmal zur nachmittäglichen Andacht in die Kirche mitgenommen werden; diese begann um 15 Uhr. In der Stadt durften die Kinder am Nachmittag auch zu den Nachbarn und sich dort vorstellen; bei dieser Gelegenheit erhielten sie auch von ihnen Kommuniongeschenke (z. B. einen Rosenkranz). Für die Kommunionkinder war es obligatorisch, die Zeitschrift "Das Kommunionglöckchen" zu halten; es wurde zumeist in der Schule ausgegeben.

Dem Tag der Ersten Heiligen Kommunion folgten die sogenannten »6 aloysianischen Sonntage« (entsprechend den sechs Ordensjahren des Heiligen Aloysius von Gonzaga, von 1585-91, Jesuit, Patron der Jugend); das heißt, die Erstkommunionkinder empfingen an den sechs darauffolgenden Sonntagen die Kommunion. Dies war eine Besonderheit, da es vor dem II. Vaticanum nicht üblich war, an jedem Sonntag zur Kommunion zu gehen. Ab 1940 etwa wurde dieser Brauch nicht mehr praktiziert.



Heinz Rüschenschmidt



(Aus dem Jahrbuch 1988 des Kreises Coesfeld)