Der Tagesablauf auf dem Bauernhof
(Essen, Trinken, Arbeiten, Feierabend)
1. Der Tagesanfang und das erste Frühstück
Im Sommer standen Bauersleute und Kötter in der Regel um fünf Uhr auf; allerdings war die Nacht noch früher zu Ende, und zwar gegen vier Uhr, wenn die Zeit des Grasmähens (Ende Mai/Anfang Juni) und des „Kornbaus" (Erntezeit) gekommen war. Vor allem das Gras mußte vor Tag, wenn es noch naß vom Tau war, geschnitten werden: Es war dann leichter zu schneiden. Bei aufstehendem Korn war es umgekehrt: Je trockener es war, desto schneller konnte geschnitten werden.
Im Winter wurde zwar allgemein später aufgestanden; aber wenn Dreschzeit war so früh mit der Arbeit begonnen wie im Sommer, nämlich um fünf Uhr.
Die Frauen und Kinder, die nicht beim Dreschen halfen, besorgten zur gleichen Zeit das Melken der Kühe, das Füttern der Tiere und das Putzen der Pferde.
Bemerkenswert ist, daß diese Arbeite „mit leerem Magen" begonnen und getan wurden. Erst zwischen sechs und sieben Uhr gab es das erste Frühstück, das im Sommer aufs Feld oder in die Wiese („no de Maiers" = zu den Mähern) gebracht wurde.
Das erste Frühstück bestand - im Sommer und Winter gleichermaßen - aus sog. „Fettsoppen". Es handelte sich dabei nicht um eine „Fettsuppe": Diese Übertragung ins Hochdeutsche wäre falsch.
Die „Fettsoppen" bestand aus "Knabbeln" (getrocknete Weißbrotstücke - heute noch bekannt und handelsüblich), die in heißem Wasser aufgeweicht worden waren, dazu ausgelassenen Speck (im Spätherbst und Winter), wurde fast und Schmalz; dies wurde warm gegessen, zumeist aus der Pfanne. Diese "Fettsoppen" sind heute noch hier und da üblich. Kaffee oder heiße Milch zum ersten Frühstück waren unbekannt; Milch gab es vornehmlich für Kinder, denen die Fettsoppen nicht schmeckte.
2. Das zweite Frühstück
Dies wurde - vom Frühjahr bis zum Herbst, immer dann, wenn draußen gearbeitet wurde - gegen 9 bis 9.30 Uhr aufs „Land", in den „Kamp" oder zum „Brink" gebracht, je nachdem, wo der Bauer oder Kötter gerade seine Arbeit tat. Dieses zweite Frühstück bestand aus: Weißbrot (Stuten) oder Schwarzbrot (Braut) mit Butter oder Schmalze, Rübenkraut, Marmelade, verschiedenen Wurstsorten (zumeist Blutwurst oder Leberwurst, seltener Mettwurst) oder weißem Käse (nicht: Handkäse); abgedeckt wurde dies mit Pumpernickel. Schinken war selten als Brotaufschnitt zu finden; er wurde als zu kostbar angesehen, um draußen gegessen zu werden. Freitags gab es weder zum Frühstück noch zu den übrigen Mahlzeiten Fleisch oder Wurst, sondern nur Käse, Rübenkraut oder Marmelade - Gleiches galt für die Fastenzeit.
Alles, was es zum Frühstück gab, vom Brot und Aufschnitt bis zum Kaffee, wurde auf dem Hof selbst hergestellt oder zubereitet. Zum Trinken gab es beim zweiten Frühstück „Kornkaffee", selbst geröstet und gemahlen aus Roggen, oder Malzkaffee, geröstet aus Gerste; denn Bohnenkaffee war auf dem Lande früher so gut wie unbekannt (ein Pfund kostete vor dem Ersten Weltkrieg 60 Pfennig). Zum „Kornkaffee", den es vornehmlich gab, sei noch folgendes angemerkt: Etwa einmal im Monat wurde der Kaffee gebrannt/geröstet. Sauberer Roggen 3 kam in einen schweren gußeisernen Topf - dessen Deckel in der Hälfte geteilt war- auf den Herd und wurde dort geröstet. Dabei wurde immer wieder die Kurbel gedreht, damit das Korn gleichmäßig geröstet wurde. An jeder Seite konnte man eine Deckelhälfte hochstellen, um nachzusehen, wie der Röstvorgang vor sich ging. Wenn der Deckel geöffnet wurde, entstieg dem Topf stark riechender, aber nicht unangenehmer Dampf, der sich im ganzen Haus verbreitete. Nach diesem Rösten, das ca. fünfzehn bis zwanzig Minuten dauerte, wurde das Korn in der Kaffeemühle („Müell") gemahlen. Schließlich wurde der gemahlene Kaffee mit „Zuckreih" (Zichorie) vermischt. Dies bedarf einer Erläuterung: Zichorie, von der Hausfrau im Garten gezogen, hat eine gewisse Ähnlichkeit mit der Schwarzwurzel, ist aber etwas länger und dicker. Sie wurde als letztes geerntet, und zwar nach Allerheiligen. Nach dem „Abschrappen" (Abkratzen) sah sie weiß und blank aus, wurde in Würfel geschnitten und auf den „Hüörns" im Backofen getrocknet.' Die getrockneten Würfel wurden dann zur Zichorien-Mühle gebracht, dort gebrannt und gemahlen. Am Ende wurde die Zichorie zu Stangen, ca. fünfzehn bis achtzehn Zentimeter lang und drei bis vier Zentimeter dick (ähnlich den heutigen Marzipan-Stangen), verarbeitet; diese Stangen, trocken, aber etwas klebrig, kamen dann in den Handels Zichorien-Mühlen bzw. Kornkaffeebrennereien gab es in fast jeder Gemeinde. In der Kornkaffeebrennerei Mangels in Ascheberg wurde noch nach dem Zweiten Weltkrieg gebrannt.Was geschah nun weiter mit der Zichorienstange? Wenn im Hause Kornkaffee zubereitet wurde, brach man ein kleines Stück von der Stange ab und gab es zum gemahlenen Kornkaffee bzw. Malzkaffee, darauf kochendes Wasser. Der Sinn, Zichorie beizugeben, bestand darin, daß der Kaffee dunkel werden und einen etwas stärkeren Geschmack erhalten sollte. Wenn zuviel Zichorie beigegeben war, schmeckte der Kaffee bitter („Dat is de reinste Zuck'rei" = Das ist die reinste Zichorie!). An manchen Stellen gab es auch ein sog. Doppelmaß, d. h. ein größeres Lot für Kaffeemehl und daneben oder darunter ein kleineres für Zichorie.
3. „Wuorstebraut" = Das Frühstück im Winter
Im Winter fiel das Frühstück besonders kräftig aus. Während der allgemeinen Schlachtzeit - von Oktober bis März war das „Wuorstebraut" (Wurstbrot) eine regelrechte Delikatesse. Dieses Wurstbrot hatte die Form von faustgroßen Klumpenstücken (gut ein Pfund schwer); hier oder dort wurden dafür auch Leinenbeutel gebraucht, wie z. B. in Billerbeck, wo man sie als „Büehlwuorst" (Beutelwurst) bezeichnete.
Es bestand entweder aus Roggenschrot, Blut, kleinen Speckwürfeln und „Schriewen" (ausgelassenen Speckstückchen, hellbraun bis gelblich aussehend) oder aber aus Weizenmehl und den gleichen Zutaten - aber ohne Blut; dadurch bekam es ein hellgraues Aussehen. Das Wurstbrot wurde in Scheiben geschnitten und in der Pfanne mit Schmalz und Schriewen gebraten. Manchmal wurden auch - um einen etwas süßeren Geschmack zu erreichen -Apfelstücke oder Apfelscheiben zugelegt. Diese angebratenen Wurstbrotscheiben aß man zu Schmalz- und Butterbroten oder legte sie einfach auf. In vielen Häusern gab es so zubereitetes Wurstbrot auch schon mal zum Mittagessen und Abendbrot.
Schließlich muß noch eine beliebte Abwandlung bei der Verwendung von Wurstbrot erwähnt werden; nämlich das „Prurks". Hier wurde das Wurstbrot nicht in Scheiben, sondern in kleine, unregelmäßig geformte Stücke geschnitten und in einer hohen Pfanne oder einem großen Topf auf Schmalz und Sohriewen (oft auch mit Apfelstücken vermischt) gekocht. Es wurde aus der Pfanne oder dem Topf gegessen.
Wurstbrot - gebraten und gekocht - war nicht nur wohlschmeckend, sondern auch stärkend, wenngleich es manchem schwer im Magen lag. Aber dies bereitete ehedem, als der Bauer noch überwiegend schwere körperliche Arbeit tun mußte, keine großen Schwierigkeiten. Wurstbrot wurde aber nicht nur in gebratenem oder gekochtem Zustand gegessen, sondern ebenso gern auch roh: Die Schnitten wurden mit Butter und Rübenkraut versehen; das Rübenkraut milderte dabei die Schwerverdaulichkeit des Wurstbrotes.
In den sechziger und siebziger Jahren kam das Wurstbrot fast ganz „aus der Mode" - aber seit Anfang der achtzigerJahre ist es wieder bekannt und beliebt. Entweder fällt es bei der Hausschlachtung an (pro Schwein etwa fünfzehn bis zwanzig Wurstbrote), oder es wird in der Metzgerei zubereitet.
Das zweite Frühstück im Winter (auch zur Frühjahrs- und Herbstzeit) konnte aber auch noch aus einer anderen oder zusätzlichen Bereicherung bestehen: der „Pann met Schieb'n" (Pfanne mit Scheiben). Hierbei handelte es sich um Kartoffeln, in Scheiben geschnitten: Genauer gesagt wurden sie - wie heutzutage die Pommes frites - in rechteckige längliche Stücke geschnitten. Zuerst wurden Speckschwarten oder Speckstückchen (am besten vom durchwachsenen Speck) in der Pfanne ausgelassen, kleingeschnittene Zwiebeln und Öl oder Butter zugegeben; dann kamen die „Schieb'n" dazu und etwas Wasser (ca. einen Zentimeter hoch in der Pfanne) und Salz. Ab und zu mußten die „Schieb'n" umgedreht werden. „Schieb'n in de Pann" sind auch heute noch oder wieder in vielen Familien bekannt und beliebt.
4. Das Mittagessen an Werktagen
Da der Tag auf dem Lande - sowohl im Winter als auch im Sommer-früh anfing, war auch das Mittagessen entsprechend zeitig, nämlich um zwölf Uhr. Die Mittagsmahlzeit bestand aus einem Teller „Melksopp" (Milchsuppe) mit Knabbeln (im Sommer auch kalt) oder heißer Milch mit Sago oder Reis (jedoch keine Nudeln); manchmal gab es auch, als etwas Besonderes, „Eibetten" (Erdbeeren) in der Milch. Die Hauptmahlzeit bestand aus „Düörnanner", „Düörnannerkuokt" oder „Düörgemös" (Durcheinander, Durcheinandergekochtem oder Durchgemüse); mit diesen Bezeichnungen war das gleiche gemeint: Kartoffeln und Gemüse untereinander gekocht. Im einzelnen also: Kartoffeln („Äerdappels") und Gemüse, und zwar entweder Wurzeln („Wuorteln"), gelbe Rüben („Räeub'n"), Grünkohl („Moos"); Grünkohl mußte am besten schon einmal im Garten durchgefroren sein. Dazu gab es in der Pfanne ausgelassenen Speck und - allerdings nur zu „Moos" - ein Endchen Mettwurst („en Endken Wuorst"). Sonst gab es ein Stück durchwachsenen Speck, gekocht. Zum Durcheinandergekochten mit Grünkohl („Düörnannerkuokt met Moos") gab es in der Regel (ab November) „Winterkürtel"; d. h. die Winterbirnen wurden, etwa ein Dutzend, im Topf oben aufgelegt und zusammen mit den Kartoffeln und dem Grünkohl gekocht.
Ein weiteres Gericht bestand aus „Fitzebauhnen met Winterkürtel" (Fitzebohnen, ca, zehn Zentimeter lange Bohnen; diese Bohnen wuchsen an „Fitzebauhnenstaken" (drei bis fünf Meter langen Stökken/Stäben), die überkreuzt gesetzt wurden.
Erwähnt werden soll auch die beliebte Erbsensuppe mit „Miäl's Pankoken" (Mehlpfannkuchen) - vor allem freitags und in der Fastenzeit; im Winter gab es auch oft gekochte Rippchen oder gebratene Mettwurst. In der Schlachtzeit besonders geschätzt war der „Panhas" (oder Pannas): Pann(h)as hat wohl etwas mit Pfanne zu tun, nichts jedoch mit einem Hasen. „Pannas" bestand aus Schweinsbrühe mit Schriewen; es wurde aus dem Letzten'° beim Wurstmacken gewonnen.
Als Nachtisch gab es Kompott oder ein Glas Eingemachtes (Pflaumen, Birnen, Stachelbeeren oder Johannisbeeren) aus dem Keller. Pudding kam nur sonntags oder an Feiertagen auf den Tisch.
5. Das Mittagessen an Sonntagen
Während es beim Sonntags-Frühstück keine Abweichungen zum Werktags Frühstück gab, war dies beim Mittagessen sehr wohl der Fall: Es gab grundsätzlich kein „Durcheinander-Gekochtes". Das war ein ungeschriebenes Gesetz: Man wollte durch ein anders gestaltetes Hauptgericht am Sonntag einen Unterschied zum Werktag zum Ausdruck bringen. Zunächst gab es eine Rindfleischoder Hühnersuppe mit Klößen, dann: Salzkartoffeln und Fleisch - hierzu wurden meist ein oder zwei Gläser Eingemachtes geöffnet. Frisches Fleisch gab es ja weder im Sommer noch im Winter (von zwei bis drei Schlachttagen abgesehen). Das Kaufen von Fleisch in der Metzgerei war gänzlich unbekannt.
Der Nachtisch bestand aus Pudding, in der Regel dickem Reis mit eCanneel" (d. h. beim Kochen wurde eine Zimtstange in den Reispudding getan). Eine Sonntags-Spezialität war das sog. „Tuttifrutti": Hierbei wurden Johannis- oder Stachelbeeren aus dem Glas mit Vanillepudding überdeckt (sog. Stärkepudding). Der Pudding wurde-und auch das nur sonntags - mit ein oder zwei Eiern versetzt.
6. Das Abendbrot
Zum Abend gab es, sowohl im Winter als auch im Sommer, in der Regel Aufgewärmtes vom Mittag; es wurde also zu Mittag gleich für den Abend mitgekocht. Dazu gab es - besonders in den Monaten September bis NovemberPfannkuchen von frischen Kartoffeln; sie wurden als Delikatesse angesehen. Dann gab es noch Mehlpfannkuchen, mit oder ohne Speck. Schließlich war „bi de Lüe op'n Sand" (bei den Leuten, die auf trockenen Böden wohnten - also ärmeren Bauern/ Köttern) der „Baukweitenpannkauken" (Buchweizenpfannkuchen) bekannt."
Sonntag abends gab es auch Bratkartoffeln (wobei die Salzkartoffeln vom Mittag nun angebraten wurden), und statt Fleisch reichte man Eier, meistens Spiegeleier mit oder ohne Speck.
7. „De Ümtiet" / "Imtiet" / "Imstiet"
Hierunter versteht man die Zeit, bevor die Immen (Bienen) fliegen, die Zeit vor dem Frühstück. Es gab z. B, die Redeweise: „lk häw vör de Imstiet all wat maakt!" (Ich habe schon vorher etwas gemacht!), so z. B. bei Handwerkern, die normalerweise um sieben Uhr mit ihrer Arbeit anfingen und zum Ausdruck bringen wollten, daß sie „vorher" auch schon gearbeitet hatten. Dabei ging es z. B. um: „Grass schnieen" = Gras schneiden, „Haih afflad'n" = Heu abladen, „Greunfooh kahlen = Grünfutter holen, „Saißen dengeln" = Sensen schärfen, „för de Piär wat schnieen" = für die Pferde etwas schneiden, „Klaower för de Piär hahlen" = Klee für die Pferde holen.
Es war, wie bereits oben ausgeführt, üblich, daß man bei diesen Arbeiten, die „vorher" gemacht wurden, nüchtern blieb. Und das konnte manchmal, besonders im Sommer, zwei bis drei Stunden ausmachen. Der Bauer machte in der „Imstiet" auch den „Suorgpott" (Schweinetopf) an; bis in die fünfziger Jahre hinein wurden die Schweine noch dreimal am Tag gefüttert, u. a. auch warm. Hierzu wurden Runkeln, Rüben usw. im Schweinetopf gekocht, dazu auch Kartoffelschalen und andere Abfälle aus der Küche. Gefeuert wurde mit „Buschken"; es handelte sich dabei um trockene Zweige und Äste, die in Bündeln zusammengefaßt waren (sprachl. Ableitung von „Busch" = niedriger Wald). Der Ausdruck „Buschken stuorken" bedeutet: „mit Buschken feuern."
Beim Melken, das ebenfalls in der „Ümtiet" oder „Imstiet" stattfand, waren auch die Kinder, wenn sie zehn bis vierzehn Jahre alt waren, eingespannt, ebenso zum Füttern und Putzen der Pferde. Wo ein „Öhm" (ein unverheirateter Onkel) im Hause war, war dies „Öhms Arbeit". Eine weitere leichte Arbeit für die Kinder war auch das „Piärstall-Lieken" oder „Kaustall-Lieken" (lieken = graah maken = gerade, eben machen), d. h. wo die Tiere gestanden oder gelegen hatten, war das Stroh fest geworden; dieses wurde dann, wenn es noch gut war, aufgelockert und mit weiterem frischem Stroh ergänzt.
In der Ümtiet wurden auch die Kälber mit Milch getränkt; dies nannte man „Kalwer biörn'n". Die Kälber waren zumeist auf der Tenne in den Ecken untergebracht, hinter Bretterverschlägen, wo sie es warm hatten - also getrennt von den Kühen. Das Kalb durfte jedoch nicht die sog. „Biestmiälk" (Biestmilch) bekommen, d. h. die erste Milch von der kalbenden Kuh in den ersten drei Tagen. Diese Milch war wegen ihres sehr hohen Fettgehaltes für das Kalb ungeeignet, ebenso ungeeignet war sie für die Zubereitung von Butter. Es wurde vielmehr guter Käse daraus gemacht.
Auch die Molkereien nahmen diese Milch nicht an; sie schmeckte bitter und war, wie gesagt, sehr fett. Zu gebrauchen war sie z. B. für das Backen von „Stuten" (Wittbraut = Weißbrot); dadurch erhielt der „Stuten" eine goldgelbe Farbe. Aber es war Geschmacksache, diese „Biestmiälk" dafür zu verwenden.
8. „De Unnerstunn"
Zur „Unnerstunn" (Unterstunde, Ruhezeit nach dem Mittagessen) soll folgendes angemerkt werden: Die „Unnerstunn" gab es nur im Sommer, genau in der Zeit vom 1. Mai bis zum B. September. Am B. September ist das Fest Mariä Geburt. Ein Sprichwort sagt: „Mariä Geburt is de Unnerstunn ut, sind de Nüett guet un de Swalb'n furt!" (Zu Mariä Geburt ist die Unterstunde vorbei, sind die Nüsse gut und die Schwalben fort!)
Wenn schon in der „Ümtiet", also der Zeit vor dem ersten Frühstück, die Versorgung der Tiere im Vordergrund stand, so war dies auch in der „Unnerstunn" so: Es ging in erster Linie nicht um den Bauern, den Menschen, sondern um die Pferde. Es war ja Sommerzeit, die Pferde hatten auf dem Felde hart gearbeitet; sie mußten nun gefüttert werden und ruhen. Man konnte ja z. B. auch kein Wasser zum Tränken der Pferde aufs Land schicken. Die Unterstunde dauerte jeweils von zwölf bis vierzehn Uhr. In dieser Zeit wurden zunächst die Pferde mit Wasser, Häcksel, Hafer usw. versorgt; die Bauersleute aßen und ruhten sich danach ein wenig aus.
Der Vormittag war wie folgt abgelaufen: Nach dem Frühstück um sieben Uhr wurden die Pferde angespannt; um 11.30 Uhr wurde mit der Arbeit auf dem Felde Schluß gemacht. In der Mittagszeit während er sog. Unnerstunn - mußten auch die Kühe gemolken werden, meistens besorgt von der Bäuerin und den Mägden, und zwar draußen auf der Weide. Ab dem B. September gab es keine Unterstunde mehr. Das letzte Heu (zweiter Schnitt = de twee'e Schnitt = de twee'e Mahd = de Nohmahd, also die Nach-Mahd) war eingebracht worden, und man begann damit, die Kartoffeln „auszumachen". Mit dieser Arbeit fing man - nach einer recht kurzen Mittagszeit - schon gegen 13 Uhr an. Diese Zeit war auch für die Pferde nicht ungünstig, da sie um diese Jahreszeit während der Mittagszeit nicht mehr zu schwitzen brauchten, wenn z. B. die Kartoffeln ausgepflügt wurden. Dafür war es dann abends schon gegen 19 Uhr dunkel.
Während der Unterstunde gab es nachmittags um 16 Uhr Kaffee auf dem Feld, in der übrigen Zeit schon um 15 Uhr (es wurde ja auch eine Stunde früher angefangen, statt 14 Uhr schon um 13 Uhr). Entweder wurde der Kaffee mit den Broten gleich um 13 Uhr den Leuten mit aufs Land gegeben oder aber später nachgebracht. Das Nachbringen war zumeist eine Aufgabe für die Kinder.
Was gab es zu essen? Zur Winterzeit gab es Schmalzbrote und zur Sommerzeit Butterbrote (ohne Belag). Kartoffelnlesen war allerdings etwas Besonderes, und dies drückte sich auch dadurch aus, daß für diese Tage die Butterbrote belegt wurden; auch frischer Pflaumenkuchen war beliebt. Beim Kartoffellesen - wo auch oft Kinder aus dem Dorf mithalfen und einige Groschen dafür bekamen wurde auch Wert darauf gelegt, daß vom selbstgebackenen weißen Stuten die größten Scheiben aus der Mitte genommen wurden. Dann kam der Kommentar der Kinder: „Do goh wie naichstes Maol wier henn - do gifft den gröttsten Stuten!", oder: „Do gifft Prumenkauken!" (Da gehen wir das nächste Mal wieder hin, da gibt es den größten Stuten [Brot], oder: Da gibt es Pflaumenkuchen!)
9. „De Fieraobend" (Der Feierabend)
Nach dem Abendessen ruhte die Arbeit, d. h. in Zeiten besonderer Arbeitsbelastung (z. B. beim Einfahren des Getreides oder in der Kartoffelernte) wurde - auch in Anbetracht möglichen Wetterumschwungs - schon mal bis zum Anbruch der Dunkelheit gearbeitet. Dann wurde ausnahmsweise um 20 oder 21 Uhr zu Abend gegessen. In der Winterzeit war im Feierabend das häusliche Spinnen eine Hauptbeschäftigung: Bis zum Ersten Weltkrieg wurde Schafswolle gesponnen - aber es kam schon in den Jahrzehnten davor immer mehr aus der Mode, weil die Spinnereien/Webereien diese Arbeit rationeller durchführen konnten. Im „Dritten Reich", so um 1937, wurde das Flachs-Spinnen eingeführt man wollte unabhängig sein vom Baumwoll-Import. Im Zweiten Weltkrieg selbst machte man aus der Not eine Tugend, und es wurde das Flachs-Spinnen verstärkt. Auf vielen Bauernhöfen hatten die Mägde, als eine Art Deputat, am Hof ein eigenes kleines Stück Land, das sie mit Flachs bebauen konnten für den eigenen Bedarf. Das Flachs-Spinnen war auch nach dem Zweiten Weltkrieg noch üblich, und zwar bis 1950. Heute wird es nur noch als Hobby betrieben.
10. Schluß
Die wichtige Vorschrift der Fastenzeit fleischloses Essen - wurde sehr genau beachtet. Diese Zeit dauerte von Aschermittwoch bis Ostern (nach dem Vorbild Jesu, der vierzig Tage fastete). Fisch war, im Gegensatz zu heute, wegen der fehlenden Kühlmöglichkeiten auf dem Lande nicht so bekannt. Allerdings gab es an einem Tage, dem Aschermittwoch, fast ausnahmslos Fisch, nämlich Hering; dazu wurden graue Erbsen gereicht. Es war der sog. „Astre-Dag" (Aschentag). Die Salzheringe waren selbst gewässert und eingelegt worden. Dazu gab es oft auch die bekannte Weinsuppe („Wiensopp").Die Vorschrift des fleischlosen Essens brachte es mit sich, daß meistens sog. „Hälmkes-Kost" genommen wurde; dies bedeutete: Kost von allem, was auf dem. Halm gewachsen war. Bekannt war auch „Kartuffelsopp met Struwen". Das Rezept für die „Struwen" - ein ausgesprochenes Karfreitagsgericht - findet sich bei den „Anmerkungen.
„Es war auf dem Lande selbstverständlich, aber es soll trotzdem erwähnt werden, daß Erwachsene und Kinder Plattdeutsch sprachen. Selbst wenn die Kinder in der Schule Hochdeutsch sprachen - zu Hause sprachen sie untereinander und mit den Eltern Plattdeutsch. Heute geht der Anteil derjenigen, die Plattdeutsch sprechen, auch auf dem Lande immer weiter zurück.
Eine weitere Selbstverständlichkeit war es, daß vor und nach dem Essen gebetet wurde. „Dat Vöerbiädden„ (das Vorbeten) war meist Aufgabe eines heranwachsenden Kindes. Mit dem Esse selbst wurde erst dann angefangen, wenn auch der Bauer begann; und wenn dieser den Löffel oder die Gabel hinlegte, mußten auch die übrigen zu Ende kommen. Von daher Ist auch das in früheren Zeiten bekannte schnelle Essen auf den Bauerhöfen verständlich.
Heinz Rüschenschmidt
(aus dem Jahrbuch 1992 des Kreises Coesfeld)