6b. Die Hochzeit

Die Hochzeit ist nicht nur für Braut und Bräutigam, sondern auch für die deren Familien, die ein neues Verwandtschaftsverhältnis beginnen, ein Ereignis von höchster Bedeutung. Während heute das moderne Wochenende mit seiner Freizeit die Wahl des Hochzeitstages bestimmt, war es früher die Zeit zwischen Säen und Mähen, die bei der bäuerlichen Bevölkerung mit Rucksicht auf die großen jahreszeitlichen Arbeiten für das große und aufwendige Fest am geeignetesten erschien. Da an zweit Tagen gefeiert wurde, war meistens der Mittwoch Hochzeitstag. Der Montag und Dienstag dienten den Vorbereitungen, wobei am Dienstag Polterabend war. Am Mittwoch und Donnerstag wurde ausgiebig Hochzeit gefeiert. Am Freitag durfte kein Fleisch gegessen werden, weshalb er für Feiern nicht so günstig war. Deshalb konnte am Freitag und Samstag aufgeräumt und alles wieder "in Ordnung" gebracht worden.

Zum Abend des Donnerstag, dem 2. Hochzeitstag, soll noch vermerkt werden, dass dieser als der sogen. "Fangaobend" bezeichnet wurde. Dazu kamen Bekannte oder Verwandte der Nachbarn, die am Hochzeitstag die Nachbarhöfe "eingehütet" ("inhöed") hatten, zur Hochzeitsfeier hinzu.

Die kirchliche Trauung fand allgemein in der Pfarrkirche der Braut statt. Der Pfarrer erhob die doppelte Gebühr, wenn sie in der Pfarrkirche des Bräutigams vorgenommen wurde. Die Fahrt zur Kirche erfolgte mit Kutschen (des ersten Nachbarn, des "Faohr-Naobers"), und zwar Braut und Bräutigam getrennt - erst vor der Kirche trafen Sie sich.

Zur Kleidung

Die Braut halte zwei Kleider: Einmal das lange weiße Hochzeitskleid (mit Schleppe) (= verlängertem Schleier). Dieses wurde am 1. Hochzeitstag gegen Mitternacht beim sogen. "Brututtrecken" (= Brautaussziehen) ausgewechselt und durch ein - zumeist kurzes - blaues Kleid ersetzt. Der lange Schleier, auch Schleppe genannt, wurde von den Engelchen getragen - er gehörte immer dazu. Hier gab es ein Sprichwort: "De langen Schleiers schlierpt viell Elend naoh!" (= Die langen Schleier schleppen viel Elend hinter sich her!) Man könnte diese Spruchweisheit - wie viele andere in plattdeutscher Sprache auch - für überspitzt ansehen, aber der wahre Kern, der darin steckt, bleibt: Das Leben ist kein Gang mit feierlich-langem Schleier - alles zu seiner Zeit. Wenn der Alltag wieder eingekehrt ist, muß hart gearbeitet werden, wie es die Pflicht erfordert. Das sollte wohl damit ausgesagt werden.

Angetan war die Braut weiter mit weißen Handschuhen, weißer Handtasche (später mit einer Pompadour, passend zum Brautkleid), in der einen Hand und dem Gebetbuch, das In ein Ziertuch mit selbstgehäkelter Spitze gelegt war, in der anderen Hand. Selbstverständlich trug die Braut auf dem Kopf den Myrtenkranz, der zusammen mit dem Schleier in den Haaren befestigt war. Der Brautstrauß kam erst nach dem 2. Weltkriege auf, hier und dort schon zwischen den Kriegen. Aus Nottuln wird berichtet, dass der Brautstrauß am Tage nach der Hochzeit zur Muttergottes in die Kirche getragen wurde, um auf diese Weise um eine glückliche Ehe zu bitten.

In alter Zeit, etwa vor dem 1. Weltkrieg, trug die Braut ein schwarzes Seidenkleid mit Myrtenkranz-, das weiße Brautkleid kam, wie oben dargelegt, zwischen den Kriegen auf. Ende der 60er Jahre ging man zunehmend vom weißen Brautkleid ab: Es wurde und wird in Kostüm und dunklem Anzug geheiratet. Dies mag praktische Gründe haben, z. B. um Geld zu sparen, aber auch, weil eine ausgeprägte Nüchternheit die letzten beiden Jahrzehnte bestimmter.

Der Bräutigam trug einen schwarzen Anzug oder Gehrock mit Zylinder, im linken Ansteckloch ein Myrtensträußchen. Nicht überall, jedoch bei besonders großen Hochzeiten, war das Böllerschießen bekannt:

das 1. Mal zum Wecken der Brautleute um 6.00 Uhr oder wenn sie mit geschmückten Kutschen zur Kirche abfuhren,

das 2. Mal bei der Rückkehr des vermählten Paares von der Kirche auf den Hof,

das 3. Mal zum Mittagstisch.

Seinen Ursprung hatte das sogen. Böllerschießen wohl in den kirchlichen Prozessionen, bei denen das Ankommen der Prozession (des Allerheiligsten bei der jeweiligen Station mit dem Böllerschuß angezeigt wurde; die Kanone stand dann abseits im Feld. Das Böllerschießen war jedoch nicht ganz ungefährlich; aber es gab in jedem Dorf oder in der Bauerschaft immer einige Männer, die sich hierin bestens auskannten und gern diese Aufgabe übernahmen.

Nun aber zurück zu den Brautleuten, die vor dem Portal der Kirche ihren Kutsche entstiegen waren: Hier nahm das Braupaar zusammen mit den Brautführer den "Tieggengängern" (= den Danebengehenden) Aufstellung. Brautführer waren zumeist unverheiratete Geschwister der Brautleute. Hineingeführt in die Kirche aber wurde die Braut von ihrem Vater und Schwiegervater, der Bräutigam von zwei Brautjungfern (nicht den Müttern! ).

Der Pastor holte (und holt auch heute noch) die Brautleute im Turm der Kirche ab und geleitete sie zum Altar. Da wurde die Trauungszeremonie vorgenommen, wie sie auch heute noch vorgeschrieben und üblich ist.

Nach der Trauung in der Kirche gab es früher den obligatorischen Weg zum Fotografen - noch bis in die 60er Jahre hinein, und zwar gemeinsam mit den Trauzeugen, manchmal auch mit den Engelchen. Mittlerweile aber wird diese Aufgabe von den vielen, in jeder Familie anzutreffenden Hobby-Fotografen erfüllt. Sogar in der Kirche selbst werden Aufnahmen gemacht und Filme aufgenommen, die den Trau-Ritus aufzeichnen.

Sodann kehrte man entweder im Haus der Braut ein, bis die Brautleute zum Mittagessen im Haus des Bräutigams abgeholt wurden (sofern diese nicht aus verschiedenen Orten kamen) - oder aber es ging im feierlichen Zug in ein Café' oder Gasthaus, wo das Frühstück gemeinsam mit dem Pfarrer eingenommen wurde; denn die Brautleute waren noch nüchtern, weil sie in der Brautmesse die Heilige Kommunion empfangen hatten. Dieser Brauch des Kommunizierens entstand um die Jahrhundertwende. Davor war es allgemein nicht üblich, vor der Hochzeit zu beichten und in der Brautmesse zu kommunizieren.

Beim Kaffeetrinken sagten einige Kinder Sprüche oder kleine Gedichte auf, die für diesen Tag von den Eltern eingeübt worden waren.

Auf der Heimfahrt von der Kirche wurden die Hochzeitstage immer wieder von der Jugend angehalten, die den Weg mit einem Seil versperrten. Die Fahrt konnte erst dann fortgesetzt werden, wenn die Brautleute Süßigkeiten oder Kleingeld als "Wegzoll" entrichtet hatten,

Vor der Haustür wurde das jungvermählte Paar und die vier "Tieggengängers" (= Trauzeugen) von einem Mädchen (meist eine Gehilfin der Köchin) mit einem Spruch und sechs gefüllten Weingläsern empfangen. Manchmal erfolgte die Begrüßung auch durch einen Nachbarn, der einen Spruch aufsagte, den Brautleuten zuprostete und im Namen der Nachbarschaft Glück und Segen wünschte, Sodann führte die Frau des Hauses (wenn sie nicht mehr lebte, der Vater des Bräutigams) die junge Braut am Arm ins Haus. Der Zug bewegte sich zur Deele hin, wo jeder den vom Gästebitter zugedachten platz einnahm. Wenn der Pfarrer, der gewöhnlich des Nachmittags zum Kaffeetrinken kam, schon jetzt dabei war, führte er die Braut ins Haus zum Tisch.

Die Nachbarn waren bei der Hochzeit immer dabei; allerdings war es auch oft so, dass zumeist ein Erwachsener auf den Höfen blieb, um das Vieh zu versorgen, andere wiederum arbeiteten am Hochzeitstag in der Küche mit, halfen beim Tischdecken oder Servieren, Für alle, die bei der Hochzeit selbst nicht mit feiern konnten, fand einige Tage später ein Kaffeetrinker statt. Im übrigen zählten zu den Hochzeitsgästen neben den Paten, die Onkeln und Tanten, sowie deren Abkömmlinge, also Cousins und Cousinen; die Familien wurden vollständig eingeladen, jung und alt, auch wenn es drei Generationen waren.

Um auch dies zu sagen: Bei den Geschenken gab es unterschiedliche Regelungen. Oft taten sich Nachbarn zusammen, um gemeinsam ein Hochzeitsgeschenk zu überbringen, z. B. eine Kollektion von sechs oder zwölf Silberlöffeln, wobei jeder Nachbar ein Stück bezahlte. Gängige Regel aber war es, dass ein Schinken gegeben wurde, wobei das Gewicht von der Zahl der gefeierten Hochzeitstage abhing. Bei einer Drei-Tage-Hochzeit (zwei Tage Hochzeit und ein Tag Rundgehen) mußte der Schinken mind. 30 Pfd. wiegen. Wenn es nur zwei Tage waren, konnte der Schinken weniger wiegen; auch wurden geschlachtete Hühner, sowie selbstgemachte Butter (zwei Pfd. für jede mitseiende Familie) gegeben. Der Begriff "Schinkenhochzeit" war allgemein bekannt.

In den 50er Jahren änderten sich die Schenkgewohnheiten; es hatte jetzt jeder genug und gut zu essen, so dass Nahrungsmittel (Schinken, Hühner, Butte Eier) keine Rolle mehr spielten, wenn es um Hochzeitsgeschenke ging. Nun gab man Geld oder nützliche Gegenstände für den Haushalt.

Wie oben bereits erwähnt, wurde das Hochzeitsmahl auf der Deele/Tenne ausgerichtet; denn die "beste Stuow" (= beste Stube = Wohnzimmer) war für eine so große Gesellschaft zu klein. Die Vorbereitungen dafür nahmen schon einige Zeit in Anspruch. Die Tenne, deren Bodenbelag aus großen rechteckigen oder quadratischen Natursteinplatten (zumeist Sandstein) bestand, mußte bestens gesäubert werden; gleiches galt auch für den angrenzenden Pferde- oder Kuhstall. Nach dem Abendessen wurde die Tafel auf der Tenne aufgelöst, die Tisch in eine Ecke gestellt - weil der Tennenboden als Tanzfläche diente -, während die Sitzplätze dann in den gesäuberten, extra geweißelten Kuh- oder Pferdeställen waren. Auf der "Hill ", (= Futterboden über den Ställen), höhenmäßig zwischen Balken (= Dachboden) und Kuh-/Pferdestall gelegen (die Schweine waren wegen ihres unangenehmen Geruches in der Regel im sogen. "Vörschöppsel ", einem vorgebauten Schuppen untergebracht), die ebenfalls geräumt und gereinigt worden war, nahm die "Musik " Platz und spielte zum Tanz auf. Die Platzanordnung war je nach vorhandenem Raum unterschiedlich, zumeist jedoch kam eine Hufeisenform zustande.

Eine erfahrene Köchin, die wußte, worauf es ankam, hatte das Hochzeitsessen mit Hilfe von Nachbarfrauen oder Verwandten vorbereitet, denn die Hausfrau mußte sich ja darauf verlassen können, dass es bei diesem wichtigen Teil der Hochzeitsfeier , dem Essen, reibungslos zuging. Man sagte dann wohl: "Do sall us nichteen wat nohseggen können!" ( Da soll uns keiner etwas nachsagen können!) Natürlich stand die Köchin nicht allein, sondern es gingen ihr weitere Hilfen für das Schmucken und Eindecken der Tische und der Bedienung der Gaste zur Hand. Sie selbst hatte über den gesamten Ablauf, von der Vorbereitung bis zum Spülen, das "Kommando".

Zum Mittagessen selbst ist zu sagen, dass der Anfang mit einer guten, kräftigen Hühner- oder Rindfleischsuppe mit Einlage gemacht wurde Zum Hauptgericht wurden Salzkartoffeln mit Schweine- oder Rindfleisch (sehr viel davon), dazu Bratwurst, einer Braten- und/oder Zwiebelsoße und Beilagen (Erbsen, Möhren) gereicht. Dazu gab es verschiedene Kompotte und Salate. Zum Nachtisch kam verschiedenerlei Obst und Pudding auf den Tisch. Allgemein ist dies auch heute noch so.

Es war selbstverständlich, dass ein schulpflichtiges Kind beim Essen vor- und nachbetete, wenn allerdings der Pfarrer heim Mittagsessen zugegen war, fiel ihm diese Aufgabe zu. Nach dem Mittagessen wurde für die Köchin und die Bedienung gesammelt; dazu ging ein Teller, der sogen, "Umleiper" (= Umläufer) um.

Nach dem ausgiebigen Mittagessen machte die Hochzeitsgesellschaft, wenn es das Wetter zuließ, einen Gang über den Hof, durch die Ställe und über die Felder in der näheren Umgebung. Bei regnerischem Wetter stand man in den Türen des Hauses und besprach die gerade anstehenden Arbeiten oder Probleme in Haus, Feld und in der Viehhaltung.

Noch vor dem Kaffeetrinken mußte von den jungen Leuten aus der Nachbarschaft eine schwierige Aufgabe gelost werden. Es ging darum, den an den Vorabenden hergerichteten Puppenwagen einschl. Puppe hoch oben auf dem Hause fest anzubringen, ebenso - dies allerding nur im Dorf oder in der Stadt. nicht jedoch auf den Höfen in den Bauernschaften - eine Wäscheleine mit verschiedenen Kinder-Kleidungsstücken. So ist es auch wohl heute noch an vielen Stellen.

Zum Nachmittags-Kaffee war guter Bohnenkaffee sehr gefragt. Die Tische waren mit Kuchen und Torten verschiedenster Art belegt, diese waren im Hause selbst zubereitet worden - Nachbarn oder Verwandte wirkten hierbei nur in wenigen Ausnahmefällen mit.

Vom Kaffee-Trinken an spielten die Musikanten auf, sie hatten auf der "Hille". Platz genommen und sagten die Musikstücke an. Mit dem Tanz wurde aber erst nach dem Abendessen begonnen.

Zum Abendessen gegen 19.00 Uhr gab es Brot, Butter, Aufschnitt verschiedener Art, Bratenstücke vom Mittag und verschiedene Salate, dazu Suppe oder Kaffee. Nach dem Abendessen wurde die Deele freigemacht, um dort tanzen zu können. Eingeleitet wurde der Tanz vom Brautpaar.

Die "Musik" bestand zumeist aus zwei Mann: ihre Instrumente waren das Bandonion ("Treckbühl") und die Trommel. Vor dem 1. Weltkrieg waren es meist Geige und Klarinette. Gespielt und getanzt wurde zunächst bis Mitternacht. Zwischendurch wurden immer wieder gemeinsam Lieder gesungen, ein bekanntes Hochzeitslied lautete: .

1) :/ De Kuckuck up den Tune satt /:

:/ Heidideldeid, doe kamm'n Schu un he woer natt /:

2) Doe kamm de leiwe Sunnenschien,

Heidideldeid, de Kuckuck, de woer hübsch un fien.

3) Gott giew de Brut, wat ik ehr günn,

Heidideldeid, de Kuckuck, de woer hübsch un fien.

4) Dat Jaohr d'rup en Döchterlein,

Heidideldeid, dat'n Stück of veer, tief, esse sein.

5) Gaoht fief of sess an eenen Dis,

Heidideldeid, dann weet de Frau wat hushollen is.



Erwähnt werden soll noch das sogen. "Füer-Anmaken", was aber nicht überall bekannt war: Gemeinsam mit dem ersten Nachbarn mußte die Braut versuchen, das Herdfeuer anzuzünden; dabei gab es manchmal Schwierigkeiten, wenn z. B. - wie leicht vorauszusehen war - der Schornstein gerade an diesem Abend verstopft war.

Dat Brututtrecken

Gegen Mitternacht versammelten sich die Gäste unter Führung des Gästebitters zum Brauttanz. Zuvor wurden zwei Stühle zusammengestellt, auf denen die Brautleute Platz nahmen. Nachbarn, Verwandte und Bekannte stellte sich im Kreis um die beiden auf, während die Musikanten das Lied "Wir winden dir den Jungfernkranz" spielten. Dabei tanzten all um die Brautleute, außer der "Saoltmoer", die der Braut den Kranz abnahm. Dabei sagte der Gästebitter einen Spruch auf und gab den jungen Eheleuten Ermahnungen für den Ehestand - in humorvoller Weise. Währenddessen übergaben die Nachbarn den jungen Eheleuten die Attribute der Hausfrau. Kochlöffel, Kochtopf und einen Hahn, der vorher mit Schnaps betäubt worden war. Diese mußte einmal krähen zum Zeichen dafür, dass die Frau nunmehr "Hahn im Korbe" sei - aber meist fiel das Krähen aus. De junge Ehemann bekam eine lange Pfeife die "Schluffen" (= Pantoffeln) oder "Holsken" (= Holzschuhe) an die Füß zum Zeichen seiner Unterwürtigkeit, und schließlich zog man ihm eine Zipfelmütze über den Kopf. Gleichzeitig wurden der Braut die Hochzeitsschuhe (weiße Leinenschuhe) ausgezogen und ihr ein Paar "niee Holsken" (= neue Holzschuhe) aus denen das Stroh herausschaute, angezwängt. Sodann begann der Brauttanz: Jeder Nachbar und jede Nachbarin mußte den Jungvermählten die Ehre geben, einmal mit ihnen zu tanzen.

Nach diesem Tanz, der für die Brautleute nicht ganz leicht war - denn in "Holsken" zu tanzen, ist nicht gerade ein Vergnügen - mußten sie zusehen, dass sie selbst zu einem gemeinsamen Tanz kamen und dann unauffällig verschwanden.

Es kam häufig vor - besonders die Jüngeren machten sich den Spaß daraus, dass sich der Tanz sehr in die Länge zog, denn man wollte das Brautpaar lange in dieser Aufmachung: Zipfelmütze auf dem Kopf und Holzschuh an den Füßen unter sich haben. Zum "Brututtrecken" gab es aber noch einen weiteren Brauch, der oft noch praktiziert wird. Nicht die Soaltmoer, sondern jungen Frauen aus der Nachbarschaft hielten den langen Brautschleier über dein jungen Paar fest, und wer ein Geldstück hineinwarf, durfte mit der Braut tanzen. Das so eingekommene Geld wurde dem Bräutigam übergeben, der dann bald mit seiner jungen Frau auswärts essen gehen sollte. Wenn die Frau das Geld erhielt, sollte dies für den ersten Einkauf nach der Hochzeit sein.

Eine weitere Ausweitung bestand darin, dass die jungen Nachbarsfrauen - nachdem sie vorsichtig den Schleier abgenommen hatten - der Braut eine Nachtmütze aufsetzten und ihr eine Nachtjacke überzogen Der Bräutigam erhielt außer der Zipfelmütze noch eine Pfeife in den Mund und einen blaugestreifen Kittel.

Mit dem "Brututtrecken" sollte ausgedrückt werden, dass die Braut nun nicht mehr zum Stand der jungen Leute, sondern zu dem den Verheirateten gehörte. Hatten sich die Brautleute freigetanzt, so konnten sie sich zurückziehen und nach einer gewissen Zeit im gewöhnlichen Festkleid wieder bei der Hochzeitsgesellschaft erscheinen. Das Kleid war identisch mit dem sogen. "Sonntagnachmittags-Staat".

Bis in den frühen morgen, d. h. bis zum Viehfuttern wurde dann weitergetanzt, gegessen und getrunken zwischendurch wurden immer wieder belegte Schnitten gereicht.

Das Nachfeiern



Dies begann eigentlich schon unmittelbar am Morgen nach der Hochzeit, d. h. bei einer Zwei-Tage-Hochzeit am Morgen nach dem 2. Tag; hier machten sich die Nachbarn auf, um in der Nachbarschaft Eier zu sammeln, die dann im Laufe des Tages zubereitet und gegessen wurden. Vornehmlich fand das Nachfeiern beim sogn. Abkränzen statt, das die Nachbarn besorgten - die gleichen, die auch das Kränzen übernommen hatten.

In den Baumbergen ziehen die Nachbarn mit einem Holzbock durch die Bauerschaft, der an allen Häusern riechen und saufen muß. Wer auf ihm sitzt, muß sehr aufpassen, denn das Gezerre ist groß und der Bock geht über Stock und Stein, durch Gräben und über Misthaufen. Zum Schluß des Rundgangs wird der Bock dort abgegeben, wo man den nächsten Bräutigam vermutet.

Im Lüdinghauser Raum ist nach dem 2. Weltkrieg das sogen. "Knuoken-Vergrawen" (= Knochenvergraben) aufgekommen, was wohl eine Parallele zur altbekannten Bacchus-Beerdigung sein soll. Hier ging es darum, einen großen Knochen auf dem Hof zu vergraben, wo die nächste Hochzeit vermutet wurde. Das war der Ausklang.

Beim "Knuoken-Vergrawen" ging und geht es wie folgt zu:

Ein besonders schöner großer Knochen, der bei der Hochzeit übriggeblieben war, wurde saubergeputzt und mit einem Bindfaden an einem Stock befestigt. Des weiteren mußte jemand die Fahne tragen, die sogen. Nachbarschaftsfahne (z. B. Bauerschaft Össing, Weberstraße in Seppenrade),- bei allen Anlässen besonderer Art mußte diese Fahne dabei sein (außer bei Beerdigungen). Ein Dritter spielte mit dem Schifferklavier. Der Bräutigam umwickelte seinen Hut mit Toilettenpapier, zog seine Jacke verkehrt herum an und trug einen Eimer mit Toilettenbürste - warum das ist nicht bekannt. Dann formierte sich der Zug, ausgehend vom Haus der Jungvermählten (dabei wurde es manchmal 10 oder 11 Uhr), an dem alles, was Beine hatte, teilnahm, sogar die Kinder. Der Zug ging von Hof zu Hof in der Nachbarschaft, wobei stolz und freudig die Fahne und der Knochen geschwenkt, bei jedem Halt gesungen und getanzt und Eier eingesammelt wurden.

Abschließend soll noch zu den Hochzeitsgedenktagen gesagt werden, dass es besonderes die silberne Hochzeit (25 Jahre) und die Goldene Hochzeit (50 Jahre) große Volkstümlichkeit haben. Seit den 60er Jahren aber ist hier eine Erweiterung vorgenommen worden.



Heinz Rüschenschmidt



(Aus dem Jahrbuch 1989 des Kreises Coesfeld)



Die Hochzeitstage in der Übersicht

Haben Sie gewusst, dass die Ehe nach fünf Jahren hölzern wird?

Keine Angst, die Partner sind in dieser Zeit nicht stumm wie Bäume geworden und haben sich außer (Wind-)Geheul nichts mehr zu sagen. Vielmehr wird der fünfte Hochzeitstag als "Hölzerne Hochzeit" gefeiert - die Beziehung ist mittlerweile so beständig wie Holz.

Anders sieht das am Tag der eigentlichen Trauungszeremonie aus: Dieses Datum nennt man "Grüne Hochzeit" - die Frischvermählten sind in ihrer neuen Eherolle eben noch grün hinter den Ohren.

Zwölf Monate später steht die "Baumwollhochzeit" an.

Das dritte Ehejahr wird mit der "Ledernen Hochzeit" begrüßt - hoffentlich ist es nur keine Krach-Lederne!

Die Liebe steht in voller Blüte

"Zinnerne Hochzeit" steht nach sechseinhalb Jahren an. Nach sieben Jahren ist das Strahlen der Brautleute schon etwas matter geworden, dann begeht das Paar den "Kupfernen Hochzeitstag".

In voller Blüte steht die Ehe nach zehn Jahren, dann kann sich das Paar als "Rosenhochzeiter" romantische Stunden gönnen. Nur 30 Monate später gibt es wieder einen Grund zum Sektkorkenknallen:

Nach zwölfeinhalb Jahren wird die "Nickel-" oder "Petersilienhochzeit" gefeiert. Nickel steht für Glanz - Glanz, der immer noch da ist oder erneuter Glanz, nachdem das Vehikel Ehe noch mal aufpoliert wurde? Klar, Petersilie bringt erst die richtige Würze: Die besiegelte Partnerschaft hat jetzt ihren vollen Geschmack entwickelt - das Paar mag sich immer noch.

Zerbrechlich wie Porzellan?

"Kristallene Hochzeit" wird am 15. Hochzeitstag begangen. Gleich einem Kristall ist das Eheleben zu einem kostbarem Gut geworden.

Die "Porzellanhochzeit" steht nach 20 Jahren an. Wie edles Porzellan ist die Ehe glänzend und empfindlich. (Wer kommt jetzt in die Midlife-Krise?)

Beim 25jährigen Ehejubiläum wird oftmals das Tafelsilber geputzt, schließlich soll die "Silberhochzeit" besonders geehrt werden. Bei manchen Paaren fällt diese Feier sogar pompöser aus, als die eigentliche Hochzeit: "Damals hatten wir ja noch nicht soviel Geld."

Eher zu Ehren der Frau wird der 30. Hochzeitstag, die "Perlenhochzeit", begangen. Schließlich ist die Perle Symbol für weibliche Schönheit und Güte. Zugleich muss dieses Schmuckstück in Ehren gehalten werden .

Und das ist der Part des liebenden Gatten. "Seifenhochzeit" heißt im Volksmund der 32. Hochzeitstag und ist wohl eine modernere Jubiläumserfindung. Möglicherweise ist der Name mit Blick auf die Seifenmarke 8X4 gegeben worden.

"Leinwandhochzeit" feiert das Paar am 35.Hochzeitstag.

Dauerhaft und beständig wie Aluminium ist die Ehe nach 37,5 Jahren; an diesem Tag

wird daher die "Aluminiumhochzeit" gefeiert.

Nach 40 Jahren steht die "Rubinhochzeit" an.

Ehe wir immer kostbarer

Paare, die sich vor 50 Jahren das Ja-Wort gaben, feiern ihre "Goldene Hochzeit".

Zehn Jahre weiter (60 Jahre) ist die Ehe noch kostbarer geworden: Dann steigt das Fest der "Diamantenen Hochzeit".

Zwischendurch - nämlich nach 55 Jahren Gemeinschaft - darf die "Platin-Hochzeit" nicht vergessen werden.

Eisern durchgehalten

Nach 65 Jahren können sich die Ehepartner auf die "Eiserne Hochzeit" freuen - die Partner haben "eisern durchgehalten".

"Steinerne Hochzeit" wird nach 67,5 Ehejahren gefeiert. Liebe, Vertrauen und Zusammen-gehörigkeit sind im Laufe dieser langen Zeit unvergänglich wie Stein geworden.

Wer mit seinem Partner den 70. Hochzeitstag erlebt, der kann die "Gnadenhochzeit" feiern - nach so vielen Jahrzehnten des gemeinsamen Lebens ist das ein Tag der Dankbarkeit und Gnade.

Nur wenige Paare werden die "Kronjuwelenhochzeit" erleben, an diesem Tag sind sie dann 75 Jahre verheiratet.